Kurzurlaub 2024: Rom

 

Rom – die ewige Stadt

Berauschendes Nebeneinander von historischer Größe und modernem Verkehrschaos, von christlichen Zeugnissen und heidnischen Relikten.

 

 

 

 

Ich genieße die Anfahrt durch die landschaftlichen Schönheiten der Schweiz bei strahlend sonnigem Kaiserwetter. Unser Lambert-Fahrer quält seinen Bus über die engen Serpentinen des Gotthard, um uns den deprimierenden Tunnel zu ersparen.

 

Auf dem Rastplatz an der höchsten Stelle des Passes bietet sich uns ein atemberaubender Anblick auf das Laventiner-Tal tief unten.

 

 

In Tivoli machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit einer Bewirtung der anderen Art: Nicht die hausbackene heilige Dreieinigkeit von Vorspeise, Hauptspeise und Dessert bestimmt hier das Menu – unser Mittagessen besteht aus vielen einzelnen Platten, die in zügigem Tempo aufgetragen werden: unterschiedliche Leckereien, warm oder kalt, bei denen sich jeder nach Belieben bedienen kann, wenn der Arm lang genug ist.

 

Eine abwechslungsreiche und kommunikative Art der Nahrungsaufnahme, die ihren Charme hat!

 

 

 

 

 

 

Bei einem schweißtreibenden Ausflug in die Villa d’Este mit den herrlichen Wasserfällen im Garten versuchen wir dann die Kalorien wieder loszuwerden – das übliche deprimierende Verfahren, wenn man sich mal wieder nicht beherrschen konnte!

 

Die Spanische Treppe

 

 

 

Das schöne Wetter ist uns auch in Rom treu: strahlend blauer Himmel, etwas über 20° - perfekt!

 

Zunächst einmal erkunden wir Rom zu Fuß. Das ist möglich, weil die wichtigsten Sehenswürdigkeiten relativ nahe beieinander liegen.

 

Als wir zum Petersplatz kommen, ist gerade eine Papstaudienz für ein paar tausend registrierter Gläubigen vorbei. Wir sehen in ganz weiter Ferne unter dem weißen Baldachin eine weiß gekleidete Gestalt. Ich bin kein Experte für päpstliche Segnungen und weiß auch nicht, ob ein Segen mit zunehmender Entfernung an Intensität verliert. Aber da die gesamte Reisegruppe die Italienreise übersteht, ohne von Taschendieben heimgesucht worden zu sein, vermute ich mal, dass wir doch noch einen Rest abgekriegt haben. In solch einem Segen scheint doch eine Menge Power zu stecken.

 

Alternativ ist es aber auch möglich, dass wir nur irgendjemanden in einem weißen Nachthemd gesehen haben! Egal!

 

 

 

Der Bernini-Baldachin über dem Grab des Hl. Petrus im Petersdom

 

 

 

 

 

 

Fototechnisch muss ich enorme Abstriche machen.

 

Die Stadt bereitet sich auf das Heilige Jahr 2025 vor. Im Dezember öffnet der Papst mit dem üblichen Tamtam die Heilige Pforte, und das Jahr beginnt.

 

Dann wird sich nicht nur die Anzahl der gläubigen Touristen verdoppeln, sondern auch die Preise werden in die Höhe schießen. Mit der Gläubigkeit Profit zu machen, war noch nie ein Problem.

 

In der Vergangenheit hatte sich für das Begehen eines Heiligen Jahres in der Regel ein Zeitraum von 25 Jahren eingespielt, doch die lukrative Medienwirksamkeit eines solchen Events verkürzt auch schon mal den Abstand. Das letzte Heilige Jahr ist gerade mal 10 Jahre her.

 

Jetzt wird die Stadt auf die Schnelle herausgeputzt – mit dem Effekt, dass sämtliche Sehenswürdigkeiten (Trevi-Brunnen, die Skulpturen und Brunnen auf der Piazza Navona) abgehängt sind. Schade.

 

 

Michelangelos Monumentalgemälde "Das Jüngste Gericht" in der Sixtinischen Kapelle

 

 

 

 

Dafür entschädigt uns die Gesellschaft unserer Stadtführerin.

 

Manuela hat Kunstgeschichte studiert und ist eine sprudelnde Quelle heiterer Anekdoten, die sich um die Maler und ihre Werke ranken.

 

Vor allem Michelangelo war wohl ein Meister kleinerer (und auch größerer) Bosheiten. So hat er z.B. in seinem Monumental-Gemälde vom Jüngsten Gericht in der Sixtinischen Kapelle einen Kardinal, der ihn besonders gepiesakt hat, in der Gruppe der Verdammten abgebildet, die am Eingang der Hölle stehen, wo er seiner Meinung nach hingehört. Eine wahrhaft filigrane Art, sich zu rächen. Eines großen Meisters würdig!

 

 

 

 

Die Laokoon-Gruppe im Vatikan-Museum

 

 

Interessant auch, wie sich in der Kunst immer wieder Heidnisches mit Christlichem vermischt. Das Vatikan-Museum zeigt neben den christlichen Motiven auch eine Vielzahl römisch-griechischer Gottheiten, und mitunter haben Apollon und Jesus die gleichen Gesichtszüge.

 

In den gleichen Kontext gehört auch das Weihnachtsbrauchtum in Italien: Da erscheint neben dem Weihnachtsmann im Dezember auch die hässliche Hexe Befana am 6. Januar. Die Suche nach dem Jesuskind endet üblicherweise erfolglos, aber die braven Kinder werden immer wieder beschenkt, wie das bei uns das Christkind tut.

 

 

Beim Bummel an den Ständen auf der Via della Conciliazione vorbei fällt immer wieder ein Jahreskalender mit recht ansehnlichen jungen Priestern mit züchtigem Kollar auf: wahrscheinlich die vatikanische Antwort auf die heißen Pin-up-Girls, die sich in den diversen Männerspinden halbnackt auf irgendwelchen schnittigen Autos räkeln!

 

Die Kalender sind angeblich ein Verkaufsschlager bei der weiblichen Kundschaft. Weiß der Himmel! Wenn man die klerikalen Models so ansieht: Welch ein Verlust für die Frauenwelt! 

 

 

Der Besuch des Vatikan-Museums artet in Stress aus – nicht nur wegen der Myriaden von Besuchern! Das ist nichts für Leute mit einem Hang zur Klaustrophobie.

 

Man hat auch ständig Sorge, dass man was verpasst: Konzentriert man sich auf die Statuen und Gemälde an den Wänden, kann es passieren, dass man die herrlichen Deckengewölbe übersieht. Und wenn man, den Kopf eisern in den Nacken gelegt, weiterwandelt, bemerkt man oft zu spät, dass man über die kunstvollsten Marmormosaiken gelaufen ist, die auch einer Würdigung wert sind.

 

Michelangelos "Pietà"

 

 

Der Petersdom schließlich ist eine Welt für sich.

 

Wer dieses Bauwerk mit seinen 218 Meter Länge gesehen hat, braucht sich keine weiteren Kirchen mehr anzusehen. Da gehen einfach die Superlative aus.

 

Michelangelos „Pietà“ bezaubert immer noch jeden Besucher, und das Rätselraten geht weiter, wie eine so jugendliche Mutter Maria einen dreißigjährigen Sohn auf dem Schoß halten kann.

Wo der dazugehörige Jungbrunnen steht, hat der Meister leider nicht verraten.

 

 

Sta. Maria Maggiore

 

 

Bescheidenheit als christliche Tugend ist allerdings hier nicht zu erwarten. Protzig und überheblich verweisen Markierungen auf dem Boden des Petersdoms, um wie vieles kleiner die größten Kathedralen der Welt sind. Selbst St. Paul‘s Cathedral in London ist fast 50 Meter kleiner. Solche Details sind halt wichtig!

 

Doch Rom hat noch andere Kirchen zu bieten. Genau genommen steht eigentlich an jeder Ecke eine, und jede einzelne wäre es wert, dass man sie sich ansieht. Ich beschränke mich auf die wichtigsten. Es ist Allerheiligen, und in Sta. Maria Maggiore gerate ich in eine Messe mit Chören und Gregorianischen Gesängen. Beeindruckend.

 

In 'St. Pietro in Vinculi' befindet sich eine weitere Statue von Michelangelo: ein gehörnter Moses. Die Hörner, die den Heiligen in die verdächtige Nähe des Teufels rücken, verdankt der arme Mann jedoch lediglich einem Übersetzungsfehler in der Vulgata.

Als Moses‘ Gesicht sich nach seiner Begegnung mit Gott verklärte, wurde dieses „Strahlen“ versehentlich mit „Horn“ übersetzt. Seitdem läuft Moses in der Kunst nun mit diesem bedenklichen Kopfschmuck herum.

 

Weiß der Himmel, was für ein Übersetzungsprogramm die Menschen damals benutzt haben!

 

 

 

 

 

Orvieto ist die letzte Station. Atmosphärisches Städtchen, enge Gassen, ein Restaurant neben dem anderen – und: wen überrascht es? Eine weitere sehenswerte Kirche.

 

Fazit eines denkwürdigen Kurzurlaubs: Kultur und Kunst vom Feinsten! Italien ist hierfür allererste Adresse. Auch für die leiblichen Genüsse.

Es war eine großartige Woche.

Michelangelos Meisterwerk: 'Die Geburt Adams' in der Sixtinischen Kapelle