Urlaub 2023: Afrika - Wilde Wasser und wilde Tiere

 

Ich gebe es gerne zu: Ich bin fasziniert von Wasserfällen. Es ist immer wieder ein unvergleichliches Schauspiel, wenn sich die Wassermassen in die Tiefe stürzen, atemberaubend schön, was die Landschaft angeht, und ehrfurchtgebietend, wenn man sich die unglaubliche Naturgewalt vorstellt, gegen die der Mensch so winzig ist.

Von dem weltweit berühmtesten Dreigestirn (Niagara, Iguazú, Viktoriafälle) habe ich nur die beiden ersten gesehen. Da gehört es sich, dass man sich als ausgewiesener Globetrotter selbst davon überzeugt, ob der Sambesi den beiden berühmten Konkurrenten das Wasser reichen kann. Spieglein, Spieglein an der Wand…

 

Um es vorwegzunehmen: Er kann es! Immer vorausgesetzt: Es ist Regenzeit. In der Trockenperiode ist der Sambesi nur ein durchschnittliches Rinnsal und die Fälle sind wenig spektakulär.

 

Ich besuche den Sambesi als Teil einer organisierten Reisegruppe. Und um gleich einen Haken hinter einen bedeutsamen Punkt zu machen: Großes Lob an den Veranstalter Chamäleon. Da stimmte alles: Unterkunft, Verpflegung, Programm – alles vom Feinsten. Ganz oben aber auf der Hitliste der Highlights rangierte unangefochten Willem „Wim“ Dewulf, ein Reiseleiter, wie man ihn sich besser nicht wünschen kann. Auf der Skala von 1 -10 hat er eine glatte 12 verdient. Was der Mensch alles über Afrika weiß! Über Politik, Geschichte, Menschen, Tiere. Dass er uns am Ende auch noch den Sternenhimmel erklärt und so nebenbei auch noch die Klimaanlage im Auto repariert, hat uns schon nicht mehr erstaunt. Und immer gut gelaunt! Sein Lieblingskommentar ist meist „wunderbar“! Und das sagt wohl am meisten über ihn aus.

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Am Eingang des Parks stehen jede Menge Informationstafeln. Wir erfahren, dass der Sambesi jetzt etwa auf Dreiviertel seiner maximalen Größe angeschwollen ist. Bis Ende April nimmt er noch weiteres Wasser auf.

 

Was denn? Nur Dreiviertel??? Doch bevor ich auf die Idee komme, mein Geld zurückzuverlangen, beschwichtigt Wim. Der April sei gar keine so gute Reisezeit. Da sieht man nämlich vor lauter Gischt und Sprühnebel die Fälle gar nicht mehr.

Und das mag wohl stimmen. Denn auch jetzt, Ende Februar, ist von den fast 1,4 Kilometern nur die Hälfte sichtbar. Der Rest verschwindet hinter einem Vorhang aus Dunst und Wassernebel. Dafür ist man klatschnass bis auf die Knochen.

 

Ein Spektakulum dieser Größenordnung lockt auch die Verrückten dieser Welt an. Sich per Bungee-jumping von der Eisenbahnbrücke über 100 Meter kopfüber in die Tiefe zu stürzen ist ein zweifelhaftes Vergnügen, das man mögen muss. Sich in ein Kanu zu setzen und sich durch die toben-den Wassermassen zu manövrieren ebenfalls. Die entfessel-ten Stromschnellen, einem gurgelnden Monster gleich, bilden einen Teufelstanz in der engen Schlucht, dem „boiling pot“, dem sich nur wirklich erfahrene Kanuten stellen können.

Aber mein persönliches Ranking der Bekloppten führen die Poolliebhaber an: Nahe der Kante kann man sich, wenn man genug selbstmordbereit ist, in kleine Pools setzen (natürli-che Vertiefungen im Flusslauf) und den Wassermassen beim Absturz zusehen. Verrückter geht’s nicht mehr.

Ich leiste mir ein Vergnügen, das vergleichsweise harmlos ist: einen Helikopterflug über den Sambesi, und das ist ein wirklich beeindruckendes Schauspiel: Von oben sieht man das ganze Ausmaß der Schön-heit dieser Landschaft, mit eingeschlossen die vielfältigen Inseln am Oberlauf des Flusses. Der „Donnernde Rauch“, wie die Eingeborenen ihren Fluss ehrfurchtsvoll nennen, ist aus der Vogelperspektive nicht minder bombastisch.

Am Eingang des Parks gedenkt man mit einer riesigen BronzeStatue dem Entdecker dieses Weltwunders: David Livingstone, Abenteurer und Missionar (seltsame Kombination!).

 

Sein Ehrgeiz, den Kontinent zu durchqueren, brachte ihn bis zu dieser Stelle. Dann war er ein halbes Jahr verschwunden, niedergestreckt von der Malaria und von Eingeborenen gepflegt, bis ihn Sir Henry Stanley schließlich aufspürte. Bei seiner Entdeckung: kein überschwänglicher Jubel, keine maßlose Erleichterung, sondern gerade mal eine britisch-unterkühlte Begrüßung „Dr. Livingstone, I presume“ („Dr. Livingstone, vermute ich“). Mit der Annahme lag Stanley natürlich richtig. Schließlich war Livingstone weit und breit der einzige Weiße.

 

Wir verlassen Simbabwe und überschreiten die Grenze nach Botswana. Ab sofort sind wir auf Beutejagd. Natürlich nicht mit dem Gewehr, sondern mit der Kamera. Und schon geht’s los: Mitten in der Nacht fahren wir los, um den unendlichen Artenreichtum des Chobe Nationalparks zu erkunden.

 

Aber der Artenreichtum bläst uns was. Weit und breit ist, außer ein paar Impalas, kein Wild zu erblicken. Der Guide, sichtlich betreten ob der mageren Ausbeute, verweist auf einige Riesenhaufen Dung. „Da sind Elefanten vorbeige-kommen“, erklärt er mit Kennermiene, schnüffelt ein wenig herum und weiß zu berichten, dass das wohl noch keine halbe Stunde her ist. Das nützt uns aber auch nicht viel. Nur Dunghaufen zu fotografieren ist auch Mist!

 

Der Flop vom frühen Morgen wird aber wett gemacht durch eine herrlich entspannte Bootsfahrt auf dem Chobe am späten Nachmittag. Wir erleben, wie die Elefanten, Büffel und Flusspferde zum Trinken und Baden ans Wasser kommen. Da kommen wir auf unsere Kosten.

 

Wims Leidenschaft gilt der Vogelwelt. Da kennt er sich aus wie kein zweiter. Er bringt uns auch den Jesusvogel nahe. Der heißt so, weil er übers Wasser laufen kann. Der ornithologisch interessierte Teil der Gruppe hängt an seinen Lippen. Für die Banausen, die Geflügel eher in gebratenem Zustand und mit einer feinen Knoblauchsoße vorziehen, der weniger spannende Teil!

Aber eines ist sicher: Afrikas Vogelwelt ist einzigartig bunt und vielfältig.

Botswana ist auf einem guten Weg. Die Schulbildung funktioniert, das Gesundheitswesen auch. Der Staat zahlt seinen Alten ab 65 Jahren sogar eine kleine Rente – und das ohne dass man je in einen Rentenfond hätte einzahlen müssen.

 

Das Land ist bedingt wohlhabend durch seinen Rindfleischexport, den stärker werdenden Tourismus – und Edelsteine. Die wurden gefunden, ganz kurz nachdem die Engländer 1966 das Land in die Unab-hängigkeit entlassen haben. Das britische Empire hätte sich vor Ärger gerne selbst in den Hintern gebissen, aber die Verträge waren bereits unterschrieben und der neue Reichtum blieb im Land.

Und was das Erstaunlichste war: Er floss nicht (nur) in die Taschen der Herrschenden, sondern wurde zum Teil weiter-gereicht bis zur Bevölkerung. Ein schlagender Beweis dafür, dass Afrika keine Kolonialherrscher braucht, um sich zu entwickeln. Dass die Europäer im 18./19.Jh. den Kontinent unter sich aufteilten, um ihn auszuplündern ohne ihm zu helfen, ist eines der größten Verbrechen.

 

Von Gweta aus starten wir mal wieder mitten in der Nacht los, um zu erleben, wie Erdmännchen den Tag beginnen. Ein Programmpunkt, den ich zunächst etwas skeptisch betrachte, weil ich innerlich auf gefährliche Raubkatzen eingestellt bin, und Erdmännchen nicht ganz in dieses Schema passen.

 

Aber dann entpuppt sich diese Attraktion als einer der unbestrittenen Höhepunkte.

 

Wir fahren durch völlig unwegsames Gelände, und plötzlich sehen wir, unendlich weit weg von jeder Behausung, einen Mann in der Wildnis stehen. Er steht nur da, tut nichts, hat aber den Gesichtsausdruck eines Menschen, der sich seiner Wichtigkeit voll bewusst ist.

 

Das Rätsel klärt sich schnell auf: Er steht neben einem Erdmännchen-Bau, und das jeden Morgen. Der Job ist wohl nicht allzu anspruchsvoll, aber effizient. Wenn die possier-lichen Tierchen bei Sonnenaufgang aus ihrem Bau kommen, steht er da und signalisiert: Alles in Ordnung. Ich bin keine Gefahr. Entspannt euch! – eine Botschaft, die die Erdmänn-chen dann auch auf alle anderen Zweibeiner übertragen.

 

 

Zum Beispiel auch auf die Touristen. Die dürfen sich nun auf eine Decke legen und genießen es, dass die Kleinen auf ihnen herumkrabbeln, sich streicheln lassen und mit ihnen schmusen. Ein rundum herrli-ches Erlebnis!!!

Mein Tipp an alle vom Burnout bedrohten Manager und Börsenmakler, die über einen Ausstieg aus ihrem Beruf nachdenken: Kommt nach Botswana und werdet ein allmorgendlicher Erdmännchenbegrüßungs-komiteevorsitzender! Absolut stressfreier Job! 0% Herz-infarktrisiko! Der Beginn einer ganz neuen Karriere.

 

„Wunderbar!“, würde Wim wohl sagen.

Anhand der Erdmännchen-Kolonie erfahren wir auch Lehrreiches über das symbioische Zusammenleben ver-schiedener Tierarten.

Die Erdmännchen bilden eine gut funktionierende WG mit Erdhörnchen. Deren Leidenschaft ist es zu buddeln, und so bauen sie das kunstvoll verzweigte Gängesystem, wozu die Erdmännchen keine rechte Lust haben. Im Gegenzug sind die aber recht geschickte Verteidiger: Schlangen, die sich dem Bau nähern, tun gut daran, den Rückwärtsgang einzulegen, Erdmännchen haben spitze Zähne.

Und da sie sich von Insekten und Skorpionen ernähren, während die Erdhörnchen Vegetarier sind, sind sie noch nicht einmal Fressfeinde. Also beste Voraussetzungen für eine harmonische WG.

Ein weiteres Highlight ist die Gomoti River Lodge am Rande des Okavango-Deltas. Hier sind komfortable Hütten auf Palisa-denkonstruktionen gebaut mit direktem Blick auf eine Lagune, in der geschätzt 4 Dutzend Flusspferde leben. Die Luft ist voller Rülpsen, Grunzen und ähnlicher unanständiger Ge-räusche. Aber das Flair ist urtümlich afrikanisch und bein-haltet einen eigenartigen Zauber. Wir haben kein Problem damit, die Anweisung der Lodge-Leitung zu befolgen und uns nur auf ausgewiesenen Pfaden zu bewegen. Die Chance, dass uns eines dieser Riesenviehcher über den Weg läuft und uns einfach umrennt, ist real. 

 

Am nächsten Morgen: wieder in aller Herrgottsfrühe Safari. Doch der Himmel hat seine Schleusen geöffnet und es gießt, was das Zeug hält. Wir starten mit zwei Stunden Verspätung.

 

Doch was zunächst als die ultimative Katastrophe aussieht (die ohnehin unwegsamen Pfade sind allesamt mit riesigen Wasserpfützen gefüllt), entpuppt sich im Nachhinein als Geschenk: Der Regen hat auch etwas Frische mitgebracht, und das ist der Grund, warum viele Herden den schützenden Wald verlassen und auf den ebenen Flächen der Savanne grasen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich Elefanten-, Giraffen- und Zebraherden zusammentun, dazwischen Büffel und Strauße, und immer wieder Antilopen.

 

Aber immer noch keine Raubkatzen!

 

 

Aber dann haben wir doch noch Glück. Um die Lunchzeit richtet unser Guide das mitgebrachte Picknick, doch während wir uns über die Köstlichkeiten herma-chen, starrt er konzentriert in sein Fernglas. Er kennt als echter Sohn dieses Landes die Vorzeichen.

Da stehen vier Giraffen unbeweglich seit einer guten Viertelstunde und schauen unentwegt auf die gleiche Stelle. Da lauert Gefahr. Wir beenden unseren Lunch, und dann fährt er vorsichtig in das dichte Gras.

 

Und richtig! Kurz darauf sehen wir die Überreste eines kürzlich gerissenen Impalas.

 

Und dann bewegt sich das Gebüsch und ein junger Löwe zeigt sich. Wahrscheinlich sehen wir irgendwie hungrig aus, denn er packt kurzerhand die traurigen Überreste des Impalas und verschwindet hinter einen anderen Busch. Der Jeep folgt ihm vorsichtig und dann sehen wir, dass noch ein zweiter Löwe dort liegt. Gemeinsam machen sie sich über den Kadaver her, für uns bleibt nichts mehr übrig.

 

Wir haben nicht das Bedürfnis uns aufzudrängen und bleiben hübsch auf Abstand.

 

Nur eine Mitreisende steht kurz vor einer Ohnmacht bei dem Gedanken, dass sie sich, wenn auch in einiger Entfernung, hinter einen Busch gesetzt hat, um zu pinkeln.

 

Als wir am nächsten Tag eine weitere Safari unternehmen, sehen wir den Unterschied: Die Temperaturen sind wieder glühend heiß, und die Tiere haben sich in den Wald zurückgezogen. Kein Vergleich zum Vortag. 

Zum Abschluss dann noch ein Überflug über das Okavango-Delta. Alles grün, soweit das Auge reicht. Aber da darf man sich nicht täuschen lassen: Zu Regenzeiten sieht alles gut aus.

 

Dann geht es weiter in die Kalahari. Noch zwei Tage ausspannen, dann dürfen wir uns darauf einstellen, 35 ° Grad Temperaturunterschiede zu verkraften. Zu Hause hat es saftige Minusgrade.

 

Auf dem Rückflug von Addis Abeba nach Frankfurt ist 7 lange Stunden Zeit, sich die beeindruckenden Bilder wieder vor Augen zu führen: der mächtige Sambesi, die großen, gemischten Tierherden, die neidischen Löwen, die rülpsenden Flusspferde – und vor allem die verschmusten und possierlichen Erdmännchen mit ihrem naiven Glauben, dass die Zweibeiner gute Wesen sind. Die haben auf mich den nachdrücklichsten Eindruck gemacht.

 

 

 

Afrika mit seinen Schönheiten hat mich überzeugt.

 

Wunderbar!