Das Capitol in Austin, der Hauptstadt von Texas
Eine akribische Suche auf der Landkarte der USA hat zu Tage gebracht, dass es noch einen weißen Fleck gibt: Texas, das Land der Viehbarone und Ölmilliardäre ist noch unerforscht – von uns jedenfalls.
Das soll sich 2016 ändern.
Die Anreise nach Dallas gestaltet sich nicht ohne Probleme. Wir kommen in Paris erst mit einstündiger Verspätung weg, was zur Folge hat, dass wir in Minneapolis St. Paul unseren Anschlussflug nach Dallas verpassen. Wir kriegen zwar eine Maschine zwei Stunden später, aber das bedeutet, dass wir erst spät abends in Dallas ankommen – zu rabenschwarzer Nachtzeit.
Unser Gepäck war dem Fliegerwechsel auch nicht gewachsen und ist in Minneapolis stehen geblieben. Das kann die gut funktionierende Logistik von DELTA Airlines mühelos feststellen. Der Mensch vom ‚Lost and Found‘ versichert mir glaubhaft, dass der Koffer am nächsten Morgen mit der ersten Maschine ankommen und sofort ausgeliefert werden wird.
Wir glauben es ihm – was bleibt uns auch anderes übrig.
Die Widrigkeiten setzen sich fort: Der Mietwagen steht zwar bereit, aber das GPS ist zickig und führt uns ständig im Kreis herum. Als wir lange nach Mitternacht in unserem Hotel ankommen, sind wir rechtschaffen groggy. Die Dusche ist zwar erfrischend, aber wieder in die verschwitzten Klamotten schlüpfen zu müssen, ist ein begrenzter Lustgewinn.
Egal! Wir sind so müde, dass uns selbst die deutlichen Körperausdünstungen nur geringfügig stören.
Am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück und einer Portion käuflich erworbenen Deo-Sprays sieht die Welt wieder erträglicher aus – und steigert sich gar ins rundum Erfreuliche, als bei der Rezeption ein Anruf von DELTA eingeht, wonach unser Koffer in Dallas eingetroffen sei. Er werde uns baldmöglichst (as soon as possible) ins Hotel angeliefert.
Als nach zweistündiger Wartezeit immer noch kein Gepäck da ist, beschließen wir, Dallas schon mal zu besichtigen – trotz der duftenden Körpernote, die von der strapazierten Kleidung ausgeht. Wir trösten uns mit dem Gedanken, dass bei den derzeit herrschenden 35° im Schatten ein kurzer Spaziergang in der Gluthitze auch mit frischen Kleidern einen Schweißausbruch bewirken wird, der unweigerlich zu identischen Gerüchen führen muss.
Unsere oft erprobte Fähigkeit, selbst bei ärgerlichen Pannen noch etwas Gutes zu finden, bewährt sich wieder und verhindert, dass wir uns selbst den Urlaub vermiesen.
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Dallas ist eine beeindruckende Stadt: reich und sauber, mit einer tollen Skyline aus gläsernen Hochhäusern, aber auch gepflegten Parks und Grünflächen.
Auf einer Bustour folgen wir eine Zeitlang der Route, die Kennedy 1964 das Leben gekostet hat, sehen auch das Fenster, aus dem die tödlichen Schüsse gefallen sind, und das Lagerhaus, in das der Attentäter Lee Harvey Oswald geflüchtet ist.
Die traurige Berühmtheit, die der Stadt seitdem anlastet, wird immer noch als Stigma empfunden, erzählt uns der Stadtführer. Ein Glück, dass es J.R. Ewing gibt, der der Stadt neue Assoziationen bescherte. Aber da er als Fiesling in die (Film-) Geschichte einging, auch nicht die gloriosesten.
Dallas hat ganz offensichtlich ein ausgeprägtes Image-Problem.
An dessen Verbesserung versuchen die Dallas-Cowboys zu arbeiten, eine von Amerikas führenden Football-Teams.
Ohne auch nur die Spur einer Ahnung von diesem kuriosen Sport zu haben, wollen wir doch das berühmte AT&T-Stadion der Cowboys besichtigen. Doch die Besucher-Tickets sind ausverkauft. Wird wohl nix mit unserem Besuch!
Wir sind, völlig zurecht, wirklich beeindruckt.
Eine 47 x 22 m große Leinwand dominiert das Stadion, in dem bis zu 120.000 Menschen sich die Lunge aus dem Leib schreien, wenn die ausgepolsterten Muskelmänner ein paar Yards Boden gut gemacht haben. Mit den vergitterten Helmen erinnern sie mich irgendwie an Hannibal Lecter.
Unser netter Führer bringt uns sogar in den VIP-Bereich, da wo die Haute Volée ihren Champagner schlürft und an den Kaviar-Snacks knabbert. Die großen Spiele sind einfach ein gesellschaftliches Highlight ersten Ranges. Football in Amerika – das ist vom Stellenwert her das gleiche wie Fußball in Europa. Genauso – nur eben ganz anders.
Doch so schnell geben wir nicht auf.
Im Handumdrehen verwandle ich mich gegenüber dem Hüter der Treppe, die zu den Zuschauerrängen führt, in einen glühenden Football-Fan, der eigens vom anderen Ende der Welt angereist ist, um das berühmte Stadion der ebenso berühmten Dallas Cowboys zu sehen. Ich kenne sogar die Namen von zwei Spielern, deren Namen ich zufällig auf einem Spieler-T-Shirt in dem angrenzenden Fan-Shop gelesen habe. Das genügt, um mich als Fan auszuweisen und den gestrengen Zerberus zu erweichen.
Geschmeichelt von so viel Begeisterung führt er uns in höchsteigener Person die Treppe hoch und lässt sich gerne ablichten mit seinen neu gewonnenen „german friends“.
Unser Gepäck ist zwischenzeitlich eingetroffen und in frischen Klamotten nehmen wir unsere nächste Station in Angriff: Houston.
Die Stadt selbst hat nichts Außergewöhnliches zu bieten, aber unser eigentliches Ziel ist ohnehin das NASA-Zentrum, etwas außerhalb der Stadt. Da verbringen wir einen höchst vergnüglichen Tag.
Begrüßt werden wir am Eingang von einem gigantischen Bild: Da steht sie, die berühmte Independence mit dem Space Shuttle auf dem Buckel. Das kann man von innen und außen besichtigen und sich sogar auf einem der Pilotensitze niederlassen, wenn man unbedingt einmal das Astronauten-Feeling erleben möchte.
In dem weiträumigen Ausstellungsgebäude kann man nicht nur die Geschichte der US-Raumfahrt nacherleben, die Riesentriebwerke der Raketen bestaunen und sich wundern, wie winzig die Kapsel war, mit denen die ersten Mondbegeher wieder zur Erde zurückkehrten – das Ganze ist auch lustig und intelligent aufbereitet für Kinder und Erwachsene: ein Eldorado für alle Möchtegern-Astronauten.
Den größten Eindruck aber hinterlässt die Kommando-Zentrale, die wir mit einer geführten Gruppe besichtigen. Aber bei Gott nicht, weil wir vor Ehrfurcht vor so viel Hightec erstarren, sondern, im Gegenteil, weil die Rechner und Bildschirme so unendlich primitiv sind, dass man sich kaum vorstellen kann, dass die NASA mit diesem Spielzeug die Astronauten 1969 tatsächlich auf den Mond gebracht hat.
Der Führer zeigt uns grinsend das Starstück unter den Computern, ein Teil, das ein ganzes Zimmer einnimmt. Speicherkapazität: 1 Mega-Bite! Jedes Handy hat heute ein Mehrfaches an Leistungsfähigkeit als dieses Ungetüm!
Sinnfälliger kann der Begriff „Fortschritt“ nicht dargestellt werden.
Unser letzter Stopp bringt uns nach Austin, einer sauberen, freundlichen Stadt.
Da dies die Hauptstadt von Texas ist, interessiert uns vor allem das Regierungsgebäude: rosa Marmor, ein Kuppelbau ähnlich wie der in Washington, von beeindruckender Eleganz.
Das gilt auch für die Innenausstattung. Im Innenbereich der Kuppel sind die Konterfeis der Gouverneure des Staates verewigt – alles übertrieben ernste Gesichter, was wohl die Bürde ihres Amtes widerspiegeln soll.
Fröhlicher geht es im Keller zu. Den besuchen wir auch. Hier sind die Fotos der Firmen ausgestellt, die bei der Renovierung des Baus mitgewirkt haben. Eine endlose Reihe gutgelaunter Handwerker, vom Fliesenleger bis zum Brandschutzspezialisten, vom Klempner bis zu den Elektrikern – alle grüßen sie in Blaumännern und mit ihrem Handwerkszeug in der Hand den aufmerksamen Betrachter.
Wir finden: Diese Idee, auch des Fußvolks zu gedenken, hat was!