Kurzurlaub 2024 in Lappland
Auf der Suche nach Polarlichtern
Diese verflixten Polarlichter!
Sie können einem das Leben ganz schön schwer machen, weil man sie nicht vorhersagen kann. Und wenn, dann nur ganz kurzfristig. Buchungen in den hohen Norden aber müssen schon längerfristig geplant werden. Daraus ergibt sich nur eine einzige Option: Man muss einfach Glück haben.
Und das habe ich gehabt. Nur zwei volle Tage standen für das Glück zur Verfügung – ein Spiel mit vollem Risiko, ein Albtraum für jede Wahrscheinlichkeitsrechnung. Hinzu kommt, dass nur für einen der beiden Tage das Sahnehäubchen mitgebucht war: eine Übernachtung in einem Glas-Iglu. Sehr atmosphärisch, aber auch ziemlich teuer.
Was soll ich sagen: Es hat funktioniert!
Ein Schlitten bringt mich abends in die Wildnis – weit weg von jeder Zivilisation – zu meiner Unterkunft für diese eine Nacht: einem Iglu mit allem Komfort. Dach und Wände sind aus Glas, so dass man, bequem auf einem weichen Bett liegend und bei kuscheligen Temperaturen, durch das Glasdach das wunderliche Spektakel am Himmel beobachten kann.
Was sind Polarlichter?
Man könnte die Physik bemühen: Sonneneruptionen, die ihre Partikel zur Erde schicken, wo sie dann auf Sauerstoff oder auf Stickstoff treffen – staubtrockene Erklärungen für verkopfte Technokraten und Wissenschaftler, völlig unromantisch.
Um wie viel mehr rührt die Erklärung der Naturvölker an!
Wenn die grünen Lichter anfingen zu tanzen, dann wussten die Wikinger, dass irgendwo eine Schlacht stattgefunden hat und dass nun die Seelen der gefallenen Krieger nach Walhalla, dem Kriegerparadies der nordischen Mythologie, geleitet wurden, wo sie an Odins Tafel Trinkorgien veranstalten durften.
Darunter kann man sich doch was vorstellen!
Jedes Jahr im Oktober treffen sich Künstler aus aller Welt, um, ohne Gage, nur um der Ehre willen, eine der vielen Eis-Suiten zu kreieren. In den Zimmern kann man tatsächlich schlafen. Ein Eisbett wird mit einem Rentierfell bedeckt, dann kommt eine dünne Matratze drauf, und anschließend verbringt man die Nacht in einem Schlafsack. Morgens um 10.00 Uhr spätestens ist Check out.
In Kiruna können wir zwar nicht den Weltraumbahnhof besichtigen, dafür aber die zweigeteilte Stadt. Ein Teil der Stadt ist unterhöhlt durch die Erzminen, so dass sie einsturzgefährdet ist. Also reißt man die Häuser ab und errichtet sie an anderer Stelle wieder neu. Wir sehen massenhaft Häuserleichen mit schwarzen Fenstern und schiefen Fronten.
Kein leichter Job, bei den krachend kalten Temperaturen!
Apropos: krachend kalt. Hier zeigt es sich, dass man Kälte auch wunderbar nutzen kann. Facebook z.B. hat in Kiruna alle seine Server aufgestellt. Die Temperaturen sind so eisig, dass sie an sechs Wintermonaten im Jahr nicht gekühlt werden müssen. Das besorgt das Klima gratis. In den sechs Sommermonaten, wenn es kaum dunkel wird, wird die Sonnenenergie dazu genutzt, um die Generatoren zum Kühlen in Gang zu halten.
Nicht schlecht! Eine gelungene Definition von Nachhaltigkeit.
Überhaupt zwingt das Leben mit der Kälte zu ausgefallenen Maßnahmen. Bei einer Stadtbesichtigungstour macht uns unsere Führerin auf eine gewölbte Mauer aufmerksam, die die örtliche Kirche wie einen Zaun umgibt. Der Zaun ist aber keiner. Die Mauer, etwa 8o cm breit und einen halben Meter hoch, ist hohl und dient dazu, Menschen, die in den Wintermonaten verstorben sind, dort zwischenzulagern, bis im Frühjahr der Boden wieder so weit aufgetaut ist, dass man Gräber ausheben kann. Selbst schwere Maschinen scheitern im Winter an dem knochenharten Boden.
Man bedenke: Wir befinden uns jenseits des Polarkreises, wo -50° keine Seltenheit sind.
Auch die Samen, die lappländischen Nomaden, leben mit dem Wetter. Genau genommen ziehen sie das ganze Jahr hinter ihren Rentier-Herden her. Nicht umgekehrt! Die Tiere sagen ihnen, wo es lang geht. Die üppigen Sommerweiden liefern in der schönen Hälfte des Jahres genügend Futter. Die Herden bewegen sich frei und wandern grenzüberschreitend zwischen dem norwegischen, schwedischen und finnischen Lappland umher.
Wir fragen nach, ob das zu politischen Komplikationen führt. Das findet unser Gastgeber lustig. „Lappland“, sagt er, und er konkretisiert nicht, welchen Teil er nun meint, „das ist mein Land.“
Mit anderen Worten: Da hat sich die Politik rauszuhalten! Und das machen die Politiker auch. Die Samen mit ihrer Kultur der Anspruchslosigkeit haben Narrenfreiheit. Schließlich schätzt man das butterzarte Rentierfleisch hoch.
Im Winter leben die Herden in notdürftig abgetrennten Koppeln und werden zur Freude der Touristen mit Silage gefüttert. Was für ein Spaß, wenn die Tiere, halbzahm, einem das Futter aus der Hand fressen!
Rudolf mit der roten Nase ist nicht darunter.
Aber wenn die Filmemacher das weihnachtliche Rentiergespann mit Santa Claus auf dem Geschenkeschlitten mit hirschgroßen Zugtieren darstellen, dann übertreiben sie schamlos: Rentiere sind etwa so groß wie Schafe.
Rentiere haben natürlich auch Feinde. Wir wollen wissen, wie der Besitzer seine Herde vor den Raubtieren schützt. Luchs, Bär, Wolf und Vielfraß sind die gefährlichsten Feinde. „Gar nicht“, sagt unser Gastgeber. „Natürlich ist es schade, wenn Tiere gerissen werden. Aber das ist die Natur. Auch die Raubtiere wollen leben, und sie abzuschießen ist verboten.“
Ich setze in Gedanken unseren deutschen Paragrafenwald mit Schutzbestimmungen und Verordnungen dagegen. Die Menschen, die mit der Natur leben, sind die klügeren!
Der Ausflug in die Wunderwelt des Nordens war kurz, aber sehr intensiv, eindrucksstark und lehrreich. Ich habe ihn genossen.