Urlaub 1993: Australien

                           Am anderen Ende der Welt

 

Ich will mir dieses Jahr einen alten Traum erfüllen: Australien! Geheimnisvoller Kontinent am anderen Ende der Erdkugel, geprägt von der Mystik der Aboriginees, einem als primitiv abgestempelten Volk, dem ich aber mehr als jedem anderen das tiefe Wissen zutraue, wie man das nächste Jahrtausend überleben kann.

 

 

Wir fliegen mit den Griechen – das muss man mal erlebt haben!

 

Wir fliegen am frühen Nachmittag von Frankfurt nach Athen. Dort haben wir den Rest des Tages und die kommende Nacht Aufenthalt auf Kosten von Olympic Airways.

 

In Athen angekommen, nehmen wir ein Taxi Richtung Innenstadt, besuchen die Akropolis, dinieren in einem reizenden kleinen Lokal an ihrem Fuße und genehmigen uns einen gepflegten Retsina.

Der Urlaub kann beginnen!

 

Früh morgens gegen 05:00 Uhr schon geht es los in Richtung Sydney. Die Griechen erweisen sich als ausgesprochen kommuni-katives Völkchen. Ein paar Sitzreihen vor mir schließen ein paar völlig Fremde Bekanntschaft. Eine Stunde später sitzen sie schon auf den Sessellehnen, um angeregter diskutieren zu können, haben weitere Sitzreihen mit einbezogen, und noch eine Stunde später tanzen sie alle Sirtaki in den engen Gängen (und das ohne besoffen zu sein!), bis die Stewards sie wieder auf ihre Plätze scheuchen.

 

 

1 Station: Sydney

In Sydney erwartet uns Peter Hermann am Flughafen, Sportdirektor der australischen Judo- Föderation und ehemaliger Vize- Weltmeister im Halbschwergewicht. Fritz und er kennen und schätzen sich aus gemeinsamen Tagen in der deutschen Judo Nationalmannschaft.

 

Er zeigt uns seine Stadt, und wir teilen seine Begeisterung. Sydney hat soeben mit nur 2 Stimmen Vorsprung vor Peking den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2000 erhalten und schäumt über vor Freude.

 

Vor allem das berühmte Opernhaus hat es uns angetan. Wir beschließen, an unserem letzten Tag in Australien den Abend in der Oper zu verbringen.

2. Station: der Ayers Rock

 

In Alice Springs leihen wir uns einen Wagen und fahren durch die Wüste zum Ayers Rock. Dabei erleben wir ein ganz besonderes Schauspiel: 2 Tage vorher hat es geregnet – und plötzlich ist die ganze ansonsten tiefrote Wüste ein einziges Blumenmeer. Ein Teppich in den buntesten Farben breitet sich vor uns aus und zeugt davon, wie viel latent vorhandenes Leben in dem kargen Wüstenboden auf ein paar Tropfen Wasser wartet, um sich zu entfalten. Einen Tag später ist die Pracht wieder verschwunden, und die Wüste präsentiert sich wieder in ihrem üblichen sandsteinfarbenen Rot.

 

 

Wir treffen am späten Nachmittag am Ayers Rock ein, rechtzeitig um den Sonnenunter-gang zu erleben – ein Schauspiel, das bei gutem Wetter fast etwas Mystisches an sich hat.

 

Soweit das Auge reicht, ist ebenes Land, die letzten Sonnenstrahlen treffen nur noch auf diesen geheimnisvollen Monolithen.

 

Und nun beginnt er zu leuchten, als ob in seinem Inneren 1000 Lampen angegangen wären. Glühend rot präsentiert er sich, während ringsherum schon alles dunkel ist. Phantastisch!

 

Dann ist die Sonne endgültig untergegangen, und er hebt sich von der restlichen Dunkelheit wie ein schwarzer Gigant ab. Um den Berg herum führt eine schmale Straße, die nur an einer Stelle wieder aus dem Nationalpark herausführt. Dreimal übersehen wir die unschein-bare Ausfahrt und müssen wieder um den Berg herumfahren, der immer schwarzer und bedrohlicher wirkt. Fast habe ich den Eindruck, er würde uns wie ein Magnet anziehen und nicht mehr loslassen.

 

Als wir die Ausfahrt endlich finden, macht sich etwas wie Erleichte-rung breit, obwohl ja zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Gefahr bestanden hat.

 

 

Der Sonnenaufgang ist ähn-lich spektakulär, doch fehlt ihm die bedrohliche Note vom Vorabend. Aber selbst bei hellem Tageslicht hat er etwas geheimnisvoll Erhabenes. Wir können nachvollziehen, dass die Aboriginees in ihm ihr Heiligtum sehen und ihn wie eine Person behandeln.

 

Wir tun es ihnen gleich und fragen ihn höflich, nach Eingeborenen-manier, ob er etwas dagegen hat, dass wir ihn besteigen. Da er nicht nein sagt, kraxeln wir los. Die ersten 20 Meter gehen ja noch, aber dann wird es immer steiler und mühsamer. Fritz beklagt sich, dass der Rucksack für sein breites Kreuz zu klein ist und ihn beim Klettern behindert. Also übernehme ich das lästige Teil. Das macht das Klettern bei Gott nicht leichter.

 

Im oberen Drittel wird der Aufstieg so steil, dass wir nur an einem Seil hangelnd und die Füße gegen den Berg gestemmt vorankom-men. Wenn ein paar Meter geschafft sind, brauchen wir immer wieder ausgedehnte Ruhepausen, um neue Kraft zu schöpfen.

 

Oben angekommen, ist der Spaß noch nicht zu Ende. Die Oberfläche ist nicht plan, sondern durchzogen von tiefen Falten, manchmal 3 bis 4 Meter tief, die ist zu durchklettern gilt.

 

 

Aber dann befinden wir uns endlich im Mittel-punkt, der durch ein steinernes Tischchen gekennzeichnet ist. Und auf diesem Tisch liegt ein Buch, in das man sich eintragen darf, wenn man die Strapazen bis hierhin durchgestanden hat.

 

Wir sind uns der Wichtigkeit dieser Unterschrift voll bewusst und leisten sie mit dem nötigen Ernst. Noch Generationen später wird man nachlesen können, dass wir (gemeinsam mit ein paar Hundert-tausend anderer) hier waren! Ein erhabener Moment!

 

Neben mir hat's auch einer geschafft, und der zieht, um das Ereignis gebührend zu begießen, eine Dose Bier raus und lässt sie zischen. Ich sehe mitleidig zu. „Die Dose wird beim Aufstieg sicher arg gedrückt haben.“

 

„Ganz bestimmt“, sagt Fritz und holt aus dem Rucksack, den ich auf dem Rücken habe, eine Literflasche Cola raus.

 

Da können einem doch glatt Gedanken an Scheidung kommen!

 

 

3. Station: Kakadu Nationalpark

 

Wir sind in Darwin gelandet und übernehmen wieder einen Leihwagen. Jedes Mal kriegen sich die Vermieter nicht mehr ein vor Warnun-gen. Ihren Ausführungen nach müssten Myriaden von Kängurus über die Straße hoppeln und die Autos attackieren.

 

Um es kurz zu machen: Nicht eines hat unseren Weg gekreuzt! Genau genommen haben wir nur ein einziges Mal 3 relativ mickrige Exemplare gese-hen. Ich musste die Fotos ordentlich vergrößern, damit sie überhaupt was hergegeben haben.

 

Koalas auf freier Wildbahn??? Fehlanzeige!

 

Dafür bekommen wir eine andere einheimische Tierart live zu sehen: die berühmten springenden Krokodile. Dies ist nicht der Name einer Football Mannschaft, sondern die Attraktion des Aberdeen River. Dort schiffen wir uns ein auf einem Schiff, wo an gigantischen Angelhaken Fleischbrocken angebracht sind, die jetzt durchs Wasser gezogen werden.

 

Und dann kommen sie, diese ekelhaften Biester, die ständig hinter-listig zu grinsen scheinen. Wenn sie nahe genug sind, werden die Angeln aus dem Wasser herausgezogen, und die Krokodile schnellen sich dank ihres ungemein starken Schwanzteils gute 2 Meter aus dem Wasser und schnappen sich die Köder.

 

Überall auf dem Boot sind Warnungen angebracht, dass man nicht auf der Reling sitzen und die Beine herunter baumeln lassen darf.

Wir haben keine Schwierigkeiten damit, diesen Anweisungen Folge zu leisten.

 

 

Am nächsten Morgen unternehmen wir eine Bootsfahrt, bei der es etwas entspannter zugeht:

 

Wir fahren durch die Katherine-Gorge. Natur pur! Stille! Tiefenentspanntheit! Ein paar fliegende Fische sind da noch das Maximum an Action. 

 

Bei dem Pensum an Kilometern ist ein wenig Auszeit angebracht.

 

Im Kakadu Nationalpark gibt es eine Stelle, die Magenschmerzen bereiten kann: der Alligator Creek. Wenn es geregnet hat, führt der Bach schonmal hüfthohe Wassermassen. Dann kann man nur mit einem Allradantrieb passieren, den wir allerdings nicht haben.

 

Als wir ankommen, geht uns das Wasser gerade mal bis zu den Waden. Das müsste unser Wagen locker schaffen. Ich bitte Fritz, die denkwürdige Passage mit der Super8 zu filmen. Er steigt aus und platziert sich entsprechend. Damit das dramatische Element der Überquerung auch richtig rüberkommt, mache ich die Sache noch richtig spannend. Ich bin so überzeugend mit meiner Darbietung, dass Fritz gebannt zuguckt und das Filmen vergisst.

 

Als wir zuhause den Film ansehen wollen, ist nur Gebüsch zu sehen.

 

 

4. Station: das Barrier-Reef

 

Wenn ich spontan auf die Frage antworten sollte, welche Momente zu den absoluten Höhepunkten unserer vielen Reisen zählen, dann würde ich ohne zu zögern unseren Tauchtrip am Barrier Reef nennen.

 

Wir fahren mit einem Schiff weit raus und verleben einen herrlichen Tag. Mitverantwortlich dafür sind die beiden Skipper Steve und John, zwei männliche Prachtexemplare, die jedes Frauenherz einen Tic schneller schlagen lassen. Der Dritte im Bund ist Dennis, ein eher ernsthafter Zeitgenosse, der die Clownerien seinen beiden Kumpels überlässt.

 

Steve, ein jungenhafter Blondschopf, und John, sein dunkelhaariges Pendant, ziehen eine Zwerchfell erschütternde Show ab, um uns auf den Tauchgang mit den Haifischen vorzubereiten.

 

Jawohl, wir tauchen mit Haifischen! Nun wollen wir bei der Wahrheit bleiben und zugeben, dass es sich hier nicht um gefräßige Men-schenhaie handelt. Aber es sind eben Haie: die markante Rücken-flosse ist da, der griesgrämig-missmutige Gesichtsausdruck und sogar die Satellitenfische.

 

Steve und John haben in der Jacke ihres Tauchanzugs einige Heringe. Die Haie riechen das und umkreisen die beiden bedrohlich. Dann werden sie gefüttert, was nicht ungefährlich ist. In ihrer Gier schnappen die Zweimeter-Ungetüme ziemlich unkontrolliert zu.

 

Wir bleiben in gebührlichem Abstand.

 

 

Das stellt man sich nicht vor, wie vielfältig die Welt unter Wasser ist. Fische in allen Größen und Formen mit Farben in den leuchtendsten Tönen und den verrücktesten Mustern schwimmen um uns her.

 

Wahrscheinlich hat sich unsere Ankunft rumgesprochen. „Hey Leute, da ist wieder eine Ladung von diesen schnaufenden und prustenden Monstern angekommen. Guckt euch nur an, wie toll-patschig und unbeholfen die da umherpaddeln.“

 

Das Ganze hat etwas ungemein Friedliches an sich. Wir dümpeln in dem Wasser wie die Föten im Mutterleib. Nur das gelegentliche Glucksen ist zu hören und die Atemgeräusche, ansonsten ist tiefer Friede. Ein zitronengelber Winzling kommt geradewegs auf mich zu geschwommen und tippt mir mit seinem runden Fischmaul an die Taucherbrille. Nach diesem untauglichen Versuch mich fressen zu wollen trollt er sich wieder.

 

 

Fritz gib mir ein Zeichen: unter uns schwimmt scheinbar behäbig unbeholfen eine große Schildkröte.

 

Wir schwimmen hinterher. Sie lässt uns bis auf wenige Zentimeter heran-kommen, dann katapultiert sie sich mit ein, zwei eleganten Stößen nach vorne. Wir hecheln wieder hinterher. Sie wiederholt Ihr Spielchen noch zweimal, dann haben wir kapiert: Sie legt keinen Wert auf unsere Streicheleinheiten!

 

Auf unserem Schiff klingelt eine Glocke. Dennis, der Ernsthafte, hat ein Buffet aus Salaten und Meeresfrüchten aufgebaut. Ich erinnere mich nicht, wann ist einmal so gut geschmeckt hat.

 

Auf der Rückfahrt werfen die Jungs ein großes Netz aus. Wer will (Fritz will unbedingt!) kann sich in diesem Netz festhalten und sich durchs Wasser schleifen lassen. Macht irre Spaß!

 

Was für ein Tag!

 

5. Station: Hamilton Island

 

Weil es so schön war, verbringen wir 5 weitere Tage auf Hamilton Island, einer der Whitsunday-Inseln. Wir verbringen ruhige Tage mit schwimmen, tauchen, schnorcheln und Sonnenbaden.

 

Der Urlaub geht langsam zu Ende.

 

6. Station: Sydney

 

Wir sind wieder in Sydney und wollen unsere Absicht wahrmachen und den letzten Abend in der Oper verbringen. Ich habe Glück und erwische gerade noch die letzten Karten. Zwar in der letzten Reihe, aber das Besondere an der Akustik dieses architektonischen Wunderwerkes ist ja gerade, dass auf jedem Platz die Akustik exakt gleich ist. Weiß der Himmel, wie so etwas möglich ist!

 

Da wir diesen Punkt bei unserer Planung zu Hause nicht auf dem Programm hatten, fehlt es an der entsprechenden Garderobe. Das Beste, was Fritz zu bieten hat, ist ein schreiend himmelblaues Jacket. Egal was soll's?

 

 

Doch als wir ankommen, sind wir reichlich betreten.

 

Der Zufall will es, dass ausge-rechnet an diesem Abend der neue Stardirigent der Sydney Philharmoniker, Edo de Vaart, seine Antrittsvorstellung gibt.

 

Alles in feierlichem Schwarz, Männer wie Frauen, nur Fritz leuchtet in seiner knatschblauen Jacke schon von Ferne. Es braucht schon das gesunde Selbstbewusstsein meines Mannes, um nicht im Erdboden zu versinken.

 

Auf jeden Fall muss ich ihn nicht suchen. Und dem absoluten Kunstgenuss tut es auch keinen Abbruch!

 

 

Der Urlaub ist zu Ende, bye-bye Sidney!

 

Die Griechen bringen uns wieder nach Hause. Diesmal wird kein Sirtaki getanzt, der langweilige Flug wird aufgepeppt durch eine handfeste Schlägerei. Irgendein levantinische Temperament ist durchgegangen und plötzlich liegt einer im Mittelgang und spuckt seinen Schneidezahn aus. Entertainment der ganz besonderen Art! Im Preis mit inbegriffen! 

 

Wir haben unvergessliche Tage erlebt.