Urlaub 2010: USA (Osten) und Jameika

                           Auf den Spuren der Gründerväter

Wir sind in Washington gelandet, der Hauptstadt des mächtigsten Staates der Welt.

 

Doch schon bei der Einreise merken wir, dass die USA für diesen Ehrentitel einen hohen Preis be-zahlen: Die Formalitäten, Kontrollen, Leibesvisita-tionen, Fotos, Fingerabdrücke und was sonst noch das kontrollbegeisterte Herz begehrt, dauern gute zwei Stunden. Die Unsicherheit, ob sich nicht einer, und wenn er noch so unschuldig aussieht, in dieses wundervolle Land reinschmuggelt, um es in die Luft zu jagen, sitzt tief.

 

Auch ein paar Sicherheitsbeamte mit prophylaktisch drohender Miene vermitteln eher den Eindruck, dass man in einer diktaturregierten Bananenre-publik gelandet ist als Herzen der freien Welt.

Trotzdem: Wir beschließen, diesem ersten Eindruck kein Gewicht beizumessen und lassen uns bezaubern von dieser herrlichen Stadt, wo einem auf Schritt und Tritt vergangene und gegenwärtige Größe begegnet:

 

das Washington Monument (der Obelisk) – weithin sichtbarer Orientierungs-punkt für jeden, der sich verfahren hat, 

das Kapitol mit seiner blen-dend weißen Kuppel, Herz-stück der Macht (s. Titel-bild), das Weiße Haus mit seinen elegan-ten Säulen, die Phantasie des Besuchers beflügelnd, dass hier eine Präsidentenfamilie (mit Hund) mit vielleicht ganz normalen Widrigkeiten wie Verdauungs- oder Gewichtsproblemen zu kämpfen hat.

Wir machen den großen Staatsmännern dieses Landes unsere Aufwartung.

 

 

 

 

 

 

‚Honest Abe‘ Lincoln, entspannt auf seinem Stuhl sitzend, blickt am Obelisk vorbei auf sein Capitol (alle drei Monumente auf schnurgerader Linie hintereinander gereiht).  

Thomas Jefferson, in seinem Memorial etwas herablassend auf seine Besucher niederblickend, zwingt sie, ehrfürch-tig zu ihm aufzu-schauen.

Die Größenverhält-nisse (seine Statue ist über 4 Meter hoch) spiegeln nur allzu deutlich den Unterschied zwischen diesem klugen, aufgeklärten Kopf und dem minderbemittelten Rest der Welt wider. Über Mangel an Bewunderern brauchen sich beide nicht zu beklagen: Ihre Memorials quellen über von Besuchern. 

 

Eine gleiche Erfahrung machen wir auf dem Friedhof in Arlington, von George Washing-ton angelegt, um den Helden seines Landes eine wür-dige Ruhestätte zu verschaffen. In ihrer unspektakulären Schlicht-heit beeindruckt die Anlage schon.

 

Es ist ein ganz gewöhnlicher Sonntag, aber Myria-den von Schulklassen, Pfadfinder und sonstigen Vereinen sind unterwegs, um den parkähnlichen Friedhof zu durchstreifen, wo es keine individuell gestalteten Grabstätten gibt. Nur weiße Kreuze, soweit das Auge reicht. Im Tod sind alle gleich.

 

 

Sicher aber, dass jeder Spaziergang an John F. Kennedys Grab endet. Er und seine beiden Brüder, Robert und Edward, haben einen Ehrenplatz hoch über dem weitläufigen Gelände, bedeckt von einer anthrazitfarbenen Marmorplatte, darauf eine nicht verlöschende Fackel.

 

Ein paar sind eben doch gleicher.

 

 

Fünf denkwürdige Tage verbringen wir in dieser wundervollen Stadt, dann ziehen wir weiter.

 

Unser nächster Anlaufpunkt ist Philadelphia. Auf dem Weg dorthin machen wir einen Stopp auf Martha’s Vineyard.

 

Das muss man einfach gesehen haben: eine Insel, die nur den ganz Reichen vorbehalten ist. Wir setzen mit der Fähre über und sind irgendwie in einer Märchenwelt gelandet. Hier ist nicht die Größe der Anwesen das entscheidende Gütemerkmal. Im Gegenteil: Die Häuschen sind puppig klein, um-rankt von blühenden Kletterpflanzen, verwun-schen, verzaubert. Trotz der überschaubaren Größe der Puppenhäuser hat niemand den Stress, seinen Reichtum unter Beweis stellen zu müssen. Der Nachweis ergibt sich von selbst.

 

Auf dieser Insel ein Anwesen zu haben, ist schon der ultimative Beweis dafür, dass man ein gut gefülltes Portemonnaie hat.

 

Die Zeit scheint auf dieser Insel still zu stehen. Man kann sich nicht vorstellen, dass sich hier irgendjemand einen stressbedingten Herzinfarkt einfängt.

 

In Philadelphia folgen wir den Spuren der Vergangenheit.

 

Vor der Indepen-dence Hall sitzen wir brav in einem Warteraum und lassen uns von einem freundlichen Führer examinieren, was wir über die Gründerjahre wissen.

 

Was uns erstaunt: Die anwesenden Jugendlichen und Kinder wissen erstaunlich gut Bescheid über die Anfänge. Fraglich, ob unser heimischer Nach-wuchs in Deutschland ebenso fundiert Bescheid wüsste über unsere Vergangenheit.

 

Wir betreten den Raum, in dem 1776 sechsundfünf-zig Delegierte der 13 Gründerkolonien wochenlang bei glühender Hitze, sich selbst einsperrend auf engstem Raum, um einen Konsens gerungen haben. Dann verfasste Thomas Jefferson unter der Ägide von Benjamin Franklin in ausgereifter Prosa ein hochverräterisches Werk, das sie alle den Kopf gekostet hätte, wäre die englische Besatzungs-macht ihnen auf die Spur gekommen.

 

 

Mit ein wenig Phantasie kann man sich die Führerfigu-ren bei der Arbeit vorstellen: John Hancock, den Hitzkopf, John Adams, eloquent und leidenschaftlich, Benjamin Franklin, mäßigend und bedächtig, Thomas Jefferson, still, außerhalb der Diskussion, auf den Moment wartend, bis seine Stunde gekommen war: als es daranging, die Ideen der Männer in Worte zu packen und die Loslösung von England zu erklären, was zum Unabhängigkeits-krieg führte.

 

An gleicher Stelle gaben sich ein Jahrzehnt später die Gründerväter unter dem Vorsitz von George Washington und der erneuten geistigen Feder-führung von Benjamin Franklin die Verfassung.

 

Der Saal atmet historische Größe.

 

 

In einem Nebengebäude besichtigen wir die berühmte Freiheitsglocke, die nicht nur nach dem gewonnenen Krieg die Unabhängigkeit von England einläutete, sondern auch 70 Jahre später das Ende der Sezessionskriege mit der Befreiung der Sklaven, die erfolgreiche Frauenbewegung, sowie den Sieg im 1. Weltkrieg.

 

Heute erinnert sie nur noch. Zum Läuten ist sie nicht mehr zu gebrauchen. Sie hat einen mächtigen Sprung.

 

 

New York ist der nächste Schwerpunkt unserer Reise.

 

Die Stadt hat mir bei unse-rem ersten Besuch schon nicht gefallen, daran ändert sich beim zweiten auch nichts. Wir gönnen diesem Albtraum von Großstadt gerade mal einen Tag, und den verbringen wir, ganz im Sinne des Mottos dieser Reise, auf Ellis Island, dort wo die Auswanderer aus aller Welt angekommen sind.

 

Interessant sind die Filme, die man zu diesem Thema sehen kann. Bitterarme Menschen aus allen Teilen der Welt, die meist aus Verzweiflung über ärmlichste Verhältnisse den radikalen Schritt wagen, sämtliche Brücken hinter sich abzubrechen und sich auf das Abenteuer einlassen, in einem wildfremden Land ein neues Leben zu beginnen, ein Land, von dem sie nichts wissen. Weder Telefon noch Fernsehen existieren, um Entscheidungshilfen zu geben. Die meisten haben ihr ganzes Hab und Gut verkaufen müssen, um die Überfahrt finanzieren zu können.

 

 

Die Filme zeigen uns, dass damals ein wirklich ganz anderer Menschen-schlag gefragt war – nicht der verweich-lichte von heute, der immer nur nach Sicherheit und Wohlstand schreit. Hier mussten die Menschen um ihr Überleben kämpfen.

 

Ich empfinde eine gehörige Portion Respekt und Hochachtung vor diesen Pionieren.

 

Als wir die Freiheitsstatue von Nahem sehen, kann ich mir vorstellen, wie die Menschen damals, seekrank und verzweifelt, sich gefühlt haben müssen, als sie dieses Sinnbild der Freiheit gesehen und wieder festen Boden unter den Füßen gefühlt haben.

 

Unser letzter Stopp, bevor es in den Faulenzer-Urlaub nach Jamaika geht, ist Boston, die Stadt, wo alles angefangen hat, der Heimat von Paul Revere, dessen legendärer Gewaltritt nach Lexington, um seine Landsleute vor dem bevorste-henden Angriff der Engländer zu war-nen, unverzichtba-rer Teil von allen Geschichtsbüchern ist, Heimatstadt auch der beiden berühmtesten Party-Organisatoren: John Hancock und Samuel Adams, die 1773 die Boston Tea Party veranstal-teten und tonnenweise den aus England kommen-den Tee ins Wasser warfen – der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen brachte, das sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sukzessive gefüllt hatte:

 

Die Gängelung durch Großbritannien war für die Übersee-Kolonien in der Neuen Welt nicht länger tolerierbar: 1776 brach der Unabhängigkeitskrieg aus, der zur Loslösung von England führte.

 

Folgt man dem Freedom Trail, dann kommt man an einigen historischen Gebäuden vorbei, z.B. dem Paul Revere House oder dem Old State House, einem der ersten Orte, von dem aus man die Unabhängigkeit seinerzeit ausgerufen hatte.

 

Das alte Gebäude ist sicher imposant, aber es wird von den umstehenden Wolkenkratzern geradezu verschluckt und büßt deshalb einiges von seiner Wirkung ein.

 

Die Stelle, wo man – wie damals – als Indianer verkleidet Tee ins Wasser werfen kann, wird leider gerade renoviert.

Wir verlassen Boston und fahren nach Concord. An der North Bridge fielen seinerzeit die ersten Schüsse, die den Krieg auslösten. Welche Seite sie abgefeuert hatte, wird immer im Dunklen bleiben, aber das ist auch zweitrangig.  

 

 

In Lexington erinnert die Statue eines Minuteman daran, dass im britischen Kugelhagel 1775 acht Widerständler starben. Die Bezeichnung verweist darauf, dass die Bürgermiliz für sich in Anspruch nahm, innerhalb einer Minute einsatzbereit zu sein.

Heute strahlt der Park einen idyllischen Frieden aus. Gott sein Dank!

 

 

Und noch einen Ausflug in die Vergangenheit leisten wir uns: Gute 100 Kilometer von Boston entfernt liegt Old Sturbridge, eine amüsante Nachbildung einer Ortschaft von vor 200 Jahren. Die Leute laufen in der Kleidung der damaligen Zeit herum, weben und spinnen an uralten Spinnrädern, schmieden in Blasebalg-betriebenen Schmieden ihr Werkzeug und backen ihr Brot in steinernen Öfen. Wenn die Kinder wollen, können sie beim Butterrühren helfen.

 

Das Ganze ist touristisch bestens aufbereitet, um einer Familie einen vergnüglichen Tag zu bereiten und gleichzeitig einen Einblick in das arbeitsreiche Leben in der Vergangenheit zu bieten.

 

 

 

Vor dem Convention Center ist die Hölle los. „Der Präsident kommt“, klärt uns ein Polizist auf Nachfrage auf. Die Gouverneurswahlen stehen an, und Obama ist in Massachusetts auf Wahlkampftour. Das interessiert uns. Einmal die gleiche Luft atmen wie der Gebenedeite!

 

Es wird ein langer Nachmittag mit ebenso langen Menschenschlangen. Zwischendurch kommt mal John Kerry, der spätere Außenminister, raus und spricht zu den Wartenden. Er will, dass die Anwesenden die Demokraten wählen. Na gut.

 

 

Es wird ernst. Die Nationalhymne, gesungen vom Studentenchor der Bostoner Universität, erklingt. Auftritt Obama! Er wird unter dem frenetischen Beifall angekündigt als der „Führer der freien Welt“ (the leader of the free world). Er beginnt seine Rede mit einer Auflistung dessen, was er bereits alles geleistet hat. Aber, so gibt er zu, es bleibt noch einiges zu tun. Und dabei, man höre und staune, sollten sich die Amerikaner an Germany orientie-ren. Da läuft’s!

 

Das schmeichelt der deutschen Seele. Ich stoße meinen Nebenmann an und sage: „We are ger-mans“. Der nickt beeindruckt. „Congratulations“.

 

Dass das Foto wegen der schlechten Lichtverhält-nisse und der großen Entfernung (wir sitzen ganz hinten) nicht scharf ist und dass wir beim Verlassen der Halle ein mordsmäßiges Knöllchen kassiert haben, stehen auf der Negativseite dieses Tages. Der Rest war schon toll. Wann sieht man schon mal einen echten US-Präsidenten!

 

 

Danach geht es ab in die Karibik.

 

Jamaika ist ein armes Land mit fröhlichen Menschen – ein Gegensatz, den wir so oft schon vorgefunden haben. Sie sind stolz auf Usain Bolt, Harry Belafonte und Bob Marley. An denen orientiert sich das nationale Selbstbewusst-sein.

 

Wir amüsieren uns bestens, wenn in unserem (wirklich schönen) Hotel die Barkeeper regelmäßig zur Hochform auflaufen: Ein kleines Tonbandgerät liefert den musikalischen Background und der Mann hinterm Tresen beginnt zu singen. Der an der Pool-Bar hat’s mit den Evergreens, der in der Lobby mag’s eher klassisch. Die Hand auf dem Herzen kennzeichnet die Inbrunst, die andere braucht er, um theatralisch zu gestikulieren – da ist nun mal keine mehr frei, um den Drink zu schütteln.

 

Aber das macht nichts. Bei dem Kunstgenuss wartet man gerne mal. Jedenfalls sind die Bars alle bestens besucht.

 

Wir haben einen Wagen gemietet, damit wir flexibel sind und uns ein wenig auf der Insel umsehen können.

 

Aber das ist nicht unbedingt eine gute Idee. Leihautos sind nicht das übliche Verkehrsmittel, und bald müssen wir merken, dass die Karten und die Straßen nicht wirklich identisch sind. Wir geraten ungewollt auf abenteuerliche Abwege und kriegen mit, dass das Verkehrssystem dieser Insel nur zu ertragen ist, wenn man sehr viel(!!) Gelassenheit an den Tag legt.

 

Vom letzten Hurrikan (dessen Schwanz wir noch mitbekommen), sind die Straßen halb weggespült. Genaugenommen bestehen sie eigentlich nur aus Schlaglöchern, und das Fahren ist eine einzige Katastrophe.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ocho Rios

 

 

 

 

 

 

 

 

Am letzten Tag, auf dem Weg nach Kingston zum Flughafen wird dies zum wirklichen Problem. Die Stadt ist komplett verstopft, völlig unübersichtlich und ohne jede Hinweisschilder. Wir geraten in echte Zeitnot, und die Nerven liegen bloß. Passanten nach dem Weg zu fragen ist ebenfalls aussichtslos: Die Jamaikaner sprechen ein bewusst verunstalte-tes Englisch, das ein normaler Sterblicher nicht verstehen kann. Als wir endlich verstehen, dass das immer wieder auftauchende Schild eines Kolibris (humming bird) ein Hinweis auf den Flughafen ist, ist es fast zu spät.

 

Aber dann kriegen wir unseren Flieger doch noch, springen sozusagen gerade noch auf und haben neun Stunden Zeit uns von der Aufregung zu erholen.

Unser Fazit: Trotz der kleinen Einschränkungen – ein gelungener Urlaub!