Urlaub 2017 auf Kuba

            Der Urlaub der sozialen Unterschiede

Die Frage, ob sich 10 Stunden Anreise rentieren, nur um ein wenig im Wasser zu planschen, haben wir an anderer Stelle bereits ausgiebig geklärt. Aber für den Fall, dass sie wieder gestellt würde, antworten wir beide im Brustton der Überzeugung: Ja!!! Unbedingt!!! Kein Zweifel!!! Nichts toppt das Vergnügen, in diesem glasklaren Wasser der Karibik zu dümpeln, ohne Angst vor suspekten Algen, gefährlich stacheligen Seeigeln oder gar schmerzhaften Quallen zu haben.

 

Wenn aber nach stressigen 10 Stunden Anreise das Gepäck nicht da ist, dann ist der Spaßfaktor deutlich reduziert.

So geschehen bei unserem diesjährigen Urlaub. Das war sogar doppelt ärgerlich, weil uns dieses Missgeschick nun schon zum zweiten Mal hintereinander passiert ist. Im letzten Jahr, als wir in Dallas landeten, war das Teil auch nicht da.

 

Nur: In den Staaten ließ der Beamte bei ‚Lost and Found‘ den Gepäckcoupon einmal durch den Scanner laufen und konnte mir drei Sekunden später mitteilen, wo sich mein Gepäck rumtrieb und wann ich es wiederhaben kann, während man sich auf Kuba per Buschtrommeln und Rauchzeichen auf die Suche begab.

 

Drei volle Tage warteten wir bei schweißtreibenden 38 Grad im Schatten, bis uns das gute Stück zugestellt wurde, Tage, in denen wir uns mit notdürftig zugekauften Sachen behel-fen mussten. Dann war die Welt wieder in Ordnung – und ein herrlicher Urlaub konnte beginnen.

Das Melia las Antillas ist ein sehr ansprechendes Hotel mit einer paradiesischen Gartenanlage: Wasserläufe mit Blumeninseln und Springbrunnen, Unmassen von Fischen, gefräßige und solche mit runden Fischmäulern, die mich irgendwie immer an Donald Trump erinnern. Wenn wir Glück haben, schwimmt uns einer der beiden mindestens zwei Meter langen Haien über den Weg.

 

Es wird zum Ritual, dass wir nach dem Frühstück ein Stück Brot und etwas Schinken vom Büffet mitnehmen, um die Kätzchen und die Fische zu füttern. Besonders amüsant ist die Mitwirkung eines Vogels dabei: ca. 20 cm groß, langer, spitzer Schnabel – eine Art Miniaturausgabe eines Fisch-reihers. Er schnappt sich, am Ufer stehend, ein Stück Brot, das Fritz ihm zuwirft, und hält es ins Wasser, um Fische anzulocken. Wenn ihm die Fische zu groß sind, zieht er es blitzschnell wieder zurück. Aber wenn der Fisch-Kindergar-ten drauf reinfällt und sich nähert, dann winkt reiche Beute: Andauernd zappelt ein Opfer in dem gefräßigen Schnabel.

 

Mich ignoriert er. Aber sobald Fritz auftaucht, ist er zur Stelle. Den hat er als seinen Komplizen ausgemacht, der ihn mit den nötigen Ködern versorgt.

 

Es ist ein recht possierliches Schauspiel!

 

 

Wir genießen das hohe Ansehen, das wir als Deutsche haben.

 

Das Melia las Antillas ist ein Haus mit internationalen Gästen, vorwiegend aus Kanada. Mit solchen kommen wir mehrfach ins Gespräch, und bald wird’s dann auch politisch. Da wird klar, wie uns die Welt sieht: als großherzig und offen, bereit, vom eigenen Reichtum abzugeben an die Mühseligen und Beladenen dieser Welt. Hört sich alles gut an. Pegida und die unsägliche AfD werden weitgehend ausgeblendet und auf ein wenig Aussagekräftiges „Nun ja, ein paar Probleme gibt’s schon!“ reduziert.

 

Vor allem unsere Kanzlerin genießt als weltgewandte und umsichtige Regentin höchste Wertschätzung. Kein Vergleich mit dem unseligen Krawallmacher aus Washington oder dem wandelnden Kleiderständer aus London!

 

Aber da kriegen sie umgehend was von mir zurück: Die Kanadier sind ja nun auch gesegnet mit einem charisma-tischen Staatsoberhaupt. Dieser smarte und attraktive Justin Trudeau ist zweifellos ebenfalls ein politisches Juwel, auf das man stolz sein kann. Der Gedankenaustausch läuft recht harmonisch.

 

Nur der Keeper an der Strand-Bar setzt andere Maßstäbe. Er bewundert uns Deutsche, weil wir in der Lage waren, an nur zwei Tagen sowohl die U21-Fußball-EM als auch einen Tag später den ConFedCup zu gewinnen.

 

 

Andere Diskussionen laufen weniger rund. Solche mit den eigenen Landsleuten zum Beispiel. Bei einem Ausflug nach Havanna haben wir das zweifelhafte Vergnügen, das Mittagessen mit einem sächsisches Ehepaar einzunehmen, beide so in unserem Alter.

 

Bei der Vorspeise werden wir umfassend über die diversen Wehwehchen informiert, zur Hauptspeise liegt die politische Großwetterlage an, und zum Nachtisch ist dann die bundesdeutsche Politik dran.

 

Da kommen wir nun aus dem Staunen nicht mehr raus. Der gute Mann beginnt ein vehementes Lamento, wie schlecht es uns geht und überhaupt: wie furchtbar doch alles ist, heftig sekundiert vom überzeugten Nicken seiner Frau. Die Verblüffung ist mir wohl auf die Stirn geschrieben. Da verbringen die guten Leute ihren Urlaub in einem 5-Sterne-Hotel in der Karibik und jammern hemmungslos darüber, wie schlecht es uns geht! Und der eklatante Widerspruch wird ihnen noch nicht einmal bewusst!

 

Ich stelle höflich meine Standard-Frage, wenn ich im Gespräch mit den ewig miesepetrigen Dauernörglern die Geduld verliere: „In welchem Land würden Sie denn lieber leben? Wo, glauben Sie, gibt es denn keine Unterschiede zwischen arm und reich?“

 

Das Erstaunen meiner Gesprächspartner ist unendlich. Solche Gespräche verlaufen meist in einer kuscheligen Nische, wo man sich wunderbar einig ist im Schimpfen und Kritisieren. Argumentative Gegenpositionen sind da eher die Ausnahme.

„Na, jaaaa“, kommt’s dann etwas ratlos. Nein, weg von Deutschland wolle man ja nicht. Aber trotzdem!

 

Ich bin froh, dass das Essen vorbei ist.

 

 

Die Amerikaner als Tourismus-Gäste sind immer noch nicht so recht willkom-men. Zu tief ist das Miss-trauen nach den Erfahrungen in der Vergangenheit.

 

Dabei schienen die Weichen nach Obamas Annäherungen an Raoul Castro bei Nelson Mandelas Beerdigung schon wieder in Richtung Aussöh-nung gestellt. Doch der begabte derzeitige Präsident machte das alles wieder rückgängig.

 

„Sollen ruhig kommen“, sagt unser Reisebetreuer mit professionellem Blick auf seinen Geldbeutel, aber trotzdem ohne rechte Begeisterung.

 

Ganz anders unsere Reiseleiterin beim Ausflug nach Havanna. Eine spontane, ehrliche Haut mit echter Leiden-schaft für ihr Land. „Die sollen bloß bleiben, wo sie sind“, ist ihr Kommentar. Ein McDonald’s-Laden an jeder Straßenecke wäre ihr persönlicher Albtraum. Sie fürchtet, dass die Seele ihres Landes korrumpiert wird, wenn zu viel Geld strömt.

 

„Geld ist nicht alles“, sagt sie voller Überzeugung, auch wenn sie am Ende unserer Fahrt zaghaft daran erinnert, dass es üblich ist, ein Trinkgeld zu geben.

 

Trotzdem stelle ich ihren Satz nicht in Frage. Die Menschen strömen eine fröhliche Zufriedenheit aus, verfallen automatisch in zuckende Bewegungen, wenn irgendwo rhythmische Musik ertönt und sind immer irgendwie gut gelaunt.

 

Ich möchte mich Max Frisch anschließen, der seinen Homo Faber über die Kubaner sagen lässt: „Lauter schöne Menschen!“

 

 

Havanna hat sich seit unserem letzten Urlaub vor vier Jahren ein wenig verändert. Nicht viel, aber doch ein wenig. War unser Spaziergang damals ein Slalom durch lauter aufgerissene Straßen und hundert Baustellen, so scheint die Stadt heute etwas geordneter.

 

Seitdem der Stadtkern zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, fließt etwas Geld in die Renovierungen. Sicher: Nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein – aber immerhin.

 

Manchmal werden die Unterschiede nur allzu augenfällig: In einer Straße schauen wir durch große Tore in geräumige Innenhöfe: Da wo bereits restauriert wurde, sieht das Ganze geradezu hochherrschaftlich aus, gepflegt, großzügig.

Auf der anderen Seite, nur durch eine schmale Straße getrennt, gibt das offene Tor den Blick frei auf eine grandiose Armut, verfallenes Gebälk, schiefe Treppen und massenhaft Unrat.

Aber überall gehört es zum Straßenbild, dass die Wäsche fröhlich von den Balkonen flattert.

 

 

 

Tabak und Rum sparen wir uns diesmal. Deren Herstellung ist uns noch in bester Erinnerung. Was uns bei dieser Tour fasziniert, ist der Besuch des örtlichen Friedhofs. Der weist Dimensionen auf, die atemberaubend sind: 800.000 Grabstellen (nein, da ist keine Null ver-rutscht! Deshalb nochmals in Worten: achthunderttau-send!!), alle unter weißen Marmorplatten verborgen, sind da zu besichtigen, dazu Mausoleen, kunstvolle Statuen und Figuren soweit das Auge reicht. Man könnte Wochen damit verbringen, sich alles anzusehen – es würde nicht langweilig.

 

 

Wir haben uns für einen Aufenthalt von drei Wochen entschieden, und das ist gut so. Wir bedauern keinen Tag und sind traurig, als der letzte Tag angebrochen ist.

 

Es hat sich in der Zeit ein freundschaftliches Verhältnis zu einigen herausgebildet: dem Koch von der Strandbar, der die leckersten Burger der Welt zubereitet – er verabschiedet uns mit herzlicher Umarmung und nimmt uns das Verspre-chen ab, sicher! doch im nächsten Jahr wiederzukommen, die stets gut gelaunten Jungs von der Pool-Bar und dem Zauberer am Klavier in der Lounge, der zur blauen Stunde die schönsten Evergreens zum Besten gab, der Saxophonist aus dem Gourmet-Restaurant, der uns schon mit unserem Lieblingslied (My Way) begrüßte, wenn wir den Raum betraten – und natürlich die Kellner, die schon nicht mehr fragten, was wir denn trinken wollten, sondern unsere Wünsche schon im Voraus kannten. Alles hatte einen so familiären Charakter, dass der Abschied schwer fiel.

 

Was bleibt also noch zu sagen? Hasta la vista, Cuba!