Urlaub 2002: Schottland

                 Der Urlaub der kleinkarierten Röcke

 

Die Ruinen von Urquart Castle

 

 

 

 

Was uns auffällt:

 

Der Begriff „Castle“ (= Schloss, Burg) wird recht inflationär gebraucht.       

 

Auch mittlere Herrenhäuser werden gleich zu „Castles“ hochstilisiert und Myriaden von Trümmerhaufen, bei der selbst die lebhafteste Phantasie passen muss, firmieren unter diesem Begriff.

 

Die Burgentour ist nicht ganz so spektakulär wie ich es mir versprochen habe. Dafür aber entschädigt die Landschaft. Die Trossachs, eine Seen-Platte (eigentlich eine Loch-Platte, denn in Schottland ist ein See ein „Loch“), sind von wildromantischer Schönheit, vor allem der Loch Kathrine. 

 

 

 

 

 

 

Die Insel Skye, nur durch eine gigantische Brücke mit dem Festland verbunden, besticht durch zerklüftete Steilküsten und verschlafene Fischerdörfer. Das gefällt uns schon.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als wir Eilean Donan Castle passieren, dem Schauplatz, an dem der „Highländer“ gedreht wurde, spüren wir einen Hauch von Mittelalter.

 

Was uns interessiert:

 

Wir wandeln auf den Spuren historischer Größen, die durch die Literatur verewigt wurden.

 

Stirling Castle, wo Maria Stuart aufwuchs und lebte, bis ihr Volk sie verjagte, ist noch in ausgezeichnetem Zustand. Hier hat Maria Hof gehalten, dort hat sie ihren Sohn geboren.

 

Wir erfahren, dass wahrscheinlich das rechtmäßige Königsbaby schon früh verstorben ist: Man hat beim Renovieren das Skelett eines Neugeborenen in der Wand gefunden. Wer da als James I. den Thron bestieg, war wohl das untergeschobene Kind der Amme. Kein Wunder, dass dabei nichts Anständiges rauskommen konnte.

 

 

 

Die Spuren des blutrünstigen Macbeth zu finden, war schon schwieriger. Wir folgen der beherzten Aufforderung: „Auf nach Inverness!“, die Shakespeare König Duncan in den Mund legt, wo er dann, von Macbeths Hand gemeuchelt, den Tod fand. Doch als wir in Inverness ankommen, finden wir eine Burg vor, die aus dem 19. Jh. Stammt und nie und nimmer die Mörderburg sein kann. Man vermutet vielmehr, dass Macbeth auf Cawdor Castle den historischen Mord begangen hat.

Irgendwie liegt Blut in der Luft.

 

 

 

Edinborough Castle

 

 

 

 

 

 

Was uns amüsiert:

 

Die Heroen Schottlands sind die, die gegen die Engländer irgendwann einmal einen Sieg errungen haben – und wenn es auch nur ein harmloses Scharmützel gewesen ist.

 

Bonnie Prince Charly, Flora McDonald, „Braveheart“ William Wallace – ihnen gilt die inbrünstige Verehrung der Schotten. Dabei gibt es kaum ein Tal, in dem sich Engländer und Schotten nicht gründlich in die Wolle geraten sind. Meistens haben die Schotten dabei den Kürzeren gezogen.

 

Die Schlacht von Cullon, in der die Schotten vernichtend geschlagen wurden, hat Traumata hinterlassen, die bis heute noch nicht verwunden sind. An der tiefen Abneigung gegen die Engländer ändert weder die Tatsache etwas, dass die Kinder des englischen Königshauses in Schottland aufgewachsen sind, noch dass Prinz Charles ständig im Schottenrock rumläuft, wenn er auf Balmoral Urlaub macht.

 

Als wir in Elgin in einem kleinen Hotel unser Zimmer beziehen und uns als Deutsche outen, verfällt unser Gastgeber in ein verbittertes Lamento: Er hatte beim Fußballspiel England gegen Deutschland den Deutschen sooo fest die Daumen gedrückt – und dann gehen die 5:2 sang- und klanglos unter! Angesichts des großen Leids, das das Versagen unserer kickenden Landsleute angerichtet hat, schämen wir uns dann auch ein wenig.

 

Der Vorfall klärt jedoch nachdrücklich, warum England, Schottland, Wales und Irland mit jeweils eigenen Mannschaften anrücken: Eher geht die Sonne im Westen auf als dass ein Schotte einem Engländer den Ball zuspielen würde.

 

 

 

Was uns erheitert:

 

In Elgin besichtigen wir die Ruinen einer mächtigen Kathedrale aus dem 13. Jh. Doch mehr noch als die Trümmer fällt uns eine Gedenktafel auf. Hier wurde eines einfachen Schusters gedacht, der mit seinen bloßen Händen Tonnen von Schutt beiseite räumte, während – man beachte den unnachahmlichen Seitenhieb – die englische Krone keinen Finger gerührt hatte, um nach dem großen Brand die Aufräumarbeiten zu unterstützen.

 

Keine Frage: Die Schotten haben ihre eigenen Kriterien, wer ein Held ist.

 

 

 

 

Dunottar Castle

 

 

 

Was uns verblüfft:

 

In Ayr machen wir zum ersten Mal Bekannt-schaft mit einem verblüffenden Phänomen: Vor einer prächtigen Kirche wimmelt es nur so von Jugendlichen. In superkurzen Miniröcken, massig Schminke im Gesicht und Zigaretten in den Händen stehen sie vor dem Eingang. Ob sie auf den Abendgottesdienst warten???

 

Die Gemeinde heißt „High Spirit“, was mich ein wenig irritiert. Trotzdem halte ich es für möglich, dass dies ein schottischer Dialekt ist und vielleicht so etwas wie „Holy Spirit“ (Heiliger Geist) heißt.

 

Auf jeden Fall interessiert mich das Innere der Kirche, die es dermaßen schafft, die Jugendlichen an sich zu binden. Doch beim Betreten würde ich am liebsten loslachen: die Kirche ist eine Kneipe!!! Und High Spirit dürfte man wohl mit „Hochprozentigem“ oder auch „Ausgelassenheit“ übersetzen.

 

Der Altarraum ist der Ausschank, und in den Seitenschiffen sitzen knutschende Pärchen und praktizieren Nächstenliebe. Ich bin baff!

 

Doch das Gleiche begegnet uns noch anderswo: In Elgin ist die prächtige Kirche eine Gemäldegalerie und eine Bibliothek, und selbst die stolze Kathedrale neben dem Schloss von Edinburgh ist nur ein Ausstellungsraum für Computer.

 

Auf jeden Fall sind die sakralen Gebäude mit Leben erfüllt – was mehr ist, als man von unseren behaupten kann.

 

 

Was uns ärgert:

 

Wir kommen mit dem Sonnenuntergang in Inverary an, einem ungemütlichen Städtchen, in dem der Clan der McLoads gehaust hat. Gestört wird die idyllische Ruhe nur von unseren knurrenden Mägen. Mehr noch als auf ein Bett freuen wir uns auf ein gutes Abendessen.

 

Doch als wir die einzige Gaststätte des Ortes betreten, eröffnet uns die Bedienung zu ihrem unendlichen Bedauern, dass die Küche bereits zu ist. Wir schauen entgeistert auf die Uhr: Es ist gerade mal 20.30 Uhr. Nun schildern wir unser Bedürfnis in bewegten Worten.

 

Und nur weil wir ihr mitleidiges Herz rühren und sie sich warm beim Koch für uns verwendet, rückt der noch ein paar Bratkartoffeln mit Spiegeleiern raus!

 

Ab sofort gilt der Nahrungsaufnahme erste Priorität!

 

Was uns reizt:

 

Wir stehen in Glasgow vor einer piekfeinen Boutique für Herrenbekleidung und Fritz sticht der Hafer. Er würde gern mal testen, wie ihm die schottische Nationaltracht steht: So ein hübsches Röckchen, das knapp die Knie bedeckt, dazu das Clan-Wappen in der Körpermitte als Schutz und Trutz für die darunter befindlichen edlen Teile – oder: je nach Modell: ein dekoratives Felltäschchen, um die diversen Accessoires unterzubringen, die strammen Knallwaden in weiße Kniestrümpfe gezwängt, die Füße in den schicken Schnurschühchen. Dazu trägt der modebewusste Schotte ein weißes Rüschenhemd und zur Abrundung ein modisches Beret mit Wollbommel in kecker Schieflage auf dem Kopf. Die Dessous-Frage drückt uns nicht: der echte Schotte mag’s untenrum halt luftig.

 

So weit, so gut! Doch welche Farbe wählt man?

 

So sehr uns das Abenteuer auch reizt – das Risiko ist einfach zu groß! Die Farben des Karos kennzeichnen die Clan-Zugehörigkeit. Und bei diesen hitzköpfigen Streithämmeln hat man ruckzuck eine satte Schlägerei am Hals, wenn man in den falschen Karos rumläuft. Also verzichtet Fritz lieber.

 

Aber wir haben doch den Eindruck, dass uns eine wichtige Erfahrung entgangen ist.

 

 

Was uns unterhält:

 

Es ist die hohe Zeit der Highland-Spiele, und wir amüsieren uns einen Nachmittag lang auf einer großen Festwiese, auf der ganz erwachsene Leute ganz kindische Spielchen spielen, wie Sackhüpfen, Eierlaufen und Tauziehen.

 

Etwas landestypischer geht es etwas weiter zu, wenn leichtgewichtige Jungs in fliegenden Röcken wieselflink zu den Dudelsackklängen über gekreuzten Schwerter tanzen, einen Arm anmutig gen Himmel gerichtet, den anderen trutzig in die Hüfte gestemmt.

 

 

Den Höhepunkt bildet das Baumstammwer-fen – eine skurrile Technik, bei der ein 6 Meter langer Baumstamm so geworfen werden soll, dass er mit der Spitze wieder aufkommt.

Hier kommt Fritz doch an seine Grenzen

 

Und über all dem schwebt das allzeit präsente Dudelsackgedudel.

 

 

Was uns enttäuscht:

 

Nessie lässt sich nicht blicken!

 

Wir fahren den Loch Ness entlang, der Schottland geradezu in 2 Teile teilt. Der See ist über 60 Km lang und nur ca. 200 m breit, und er hat unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Das wäre doch eine Wucht, wenn ausgerechnet jetzt der berühmte Saurierhals aus dem Wasser herauskäme!

 

Aber wie wir auch unseren Hals verrenken: Es ist nichts zu sehen. Kurz vor Inverness gibt es ein Ausstellungszentrum, in dem mit Filmen und hübschen Computeranimationen das Thema „Monster von Loch Ness“ aufgearbeitet wird. Und erstaunlich objektiv kommt man zu dem Schluss, dass der See wohl gar nicht fischreich genug wäre, um ein Monster dieses Kalibers zu ernähren.

 

 

 

 

Nessie wird also wohl auch in Zukunft nur ein Thema für das Sommerloch der BILD-Zeitung sein.

 

 

 

 

 

Unsere Schottenwoche ist rum, und wir starten wieder Richtung Heimat. Hier müssen wir uns verkehrsmäßig wieder umstellen. Vom Parkplatz kommend fahre ich aus Versehen erst einmal links rum in den Kreisverkehr, was mir ein wütendes Hupen einbringt, doch dann kommen wieder die alten Reflexe.

 

Schottland hat uns schon vor echte Herausforde-rungen gestellt. Mit dem Linksverkehr kann man ja noch leben. Aber die Sprache...

Das ist vergleichbar mit einem Ausländer, der mühsam Deutsch gelernt hat und dann im tiefsten Bayern landet.

 

Trotzdem: Es war schön.