Urlaub 2003: Vietnam und Kambodscha

            Der Urlaub der exotischen Gerüche

Das Wichtigste zuerst: Vietnam ist unbedingt eine Reise wert!     

                                              

Die Assoziationen wie Krieg und Gräuel, die sich mit diesem Namen verbinden, versperren den Blick auf ein Land voller landschaftlicher Schönheiten, wie z.B. die Bucht von Halong mit ihren 2.400 Inseln, die die beeindruckende Kulisse für einen James-Bond-Film lieferten. 1000 Kilometer erlesenster Sandstrand mit sauberen, luxuriösen Hotels, mit Palmen bis zum Meer und tiefblauem Wasser machen Vietnam zum Geheimtipp für Urlauber, die noch nicht alt genug sind, um sich in einem Kurbad zu erholen, aber auch gut auf Discos, Remmidemmi und Ballermann-Atmosphäre verzichten können.

 

Kambodscha hingegen mag in Bezug auf Erholungstourismus seine Defizite haben, besticht jedoch durch die unglaublichen Bauten Angkors, was es zur allerersten Adresse für Bildungsreisende macht.

 

 

Vietnam ist dabei, seine Vergangen-heit zu bewälti-gen.                                              Wir sehen auffällig viele junge Ameri-kaner, besonders am Wolkenpass nördlich von Danang, Rucksacktouristen, die sich vor Ort infor-mieren wollen, was ihre Väter damals in diesem Land so getrieben haben.  

                                                                          Unsere Führer halten sich bedeckt auf unsere Frage nach dem Verhältnis heute zu den Amerikanern: Kritik ja, aber keine Hasstiraden! Vor dem Kriegs-museum in Saigon kommen wir, erschlagen von den gesehenen Gräuel, aus dem Gebäude und sehen an der Tür die Taxifahrer dort sitzen, Basket-ballmützen auf dem Kopf mit Emblemen der unter-schiedlichen amerikanischen Mannschaften.                                                                                      Absolution im Hinblick auf zu erwartende kommer-zielle Vorteile? Oder Teil der unergründlichen asiatischen Mentalität, die Toleranz und Vergebung mit beinhaltet?

Schwer zu sagen!

 

Eindeutig schlechte Karten haben hingegen die Franzosen. In beiden Ländern ist die Ablehnung der „Grande Nation“ geradezu greifbar. 

                                                                      Gegen uns Deutsche haben die „Indochinesen“,Gott sei Dank, nichts einzuwenden.

 

Besuche fernöstlicher Märkte sind ein besonde-res Erlebnis.

 

Der Markt ist nicht nur Kaufstätte, sondern in erster Linie Kommunika-tionszentrum. Wir bringen zwar massenhaft Fotos mit nach Hause, bannen die ausgefallensten Schnappschüsse auf Zelluloid – aber die Gerüche kann man nicht rüberbringen, dieses einzigartige Gemisch aus Fleisch- und Fischgerüchen, ergänzt durch die wunderbar exotischen Gewürze – und harmonisch abgerundet durch die Ausdünstungen der vielen Menschen, die hier bei schwülen Temperaturen auf engstem Raum zusammenleben. 

 

 

 

 

Ein echter Künstler bei seiner Arbeit als Steinmetz

 

 

 

Unseren ehemaligen sozialistischen Brüdern aus der ebenso ehemaligen DDR verdanken wir Reisebegleiter mit passablen Deutschkenntnissen. Sie alle haben auf Kosten der DDR in Halle, Magde-burg, Rostock und Erfurt alles Mögliche studiert: Forstwirtschaft, Chemie, Schiffsbau und manch Sinnvolles mehr. Sie alle kennen Ostdeutschland wie ihre Westentasche und erfreuen uns mit recht idiomatischen Sprüchen (Spatz in Hand ist besser wie Taube auf Dach. Aber noch besser: Taube in Hand!)  

 

Sie alle verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie haben nicht eine Stunde in dem Beruf gearbeitet, für den sie ausgebildet wurden. In beiden Ländern haben es die Regierungen verabsäumt, finanzielle Anreize für Facharbeiter zu schaffen. Also verdingen sie sich als Reiseleiter und verdienen so ein Erkleckliches mehr. 

                 

Wer soll jetzt ihre Maschinen und Schiffe bauen? In dem Punkt sind sie sich erstaunlich einig: die anderen natürlich. 

 

 

 

 

Ein Blick in die Halong-Bucht, Kulisse für einen James-Bond-Film, aber auch der Ort, an dem der Vietnam-Krieg ausbrach. 

 

Das Überqueren einer Straße ist ein Faszinosum sonders gleichen.

 

In Vietnam sind Myriaden von Zweirädern mit einer Geschwin-digkeit von ca. 20 – 30 km/h unterwegs. Ampeln stehen nur Dekoration da, und verkehrshü-tende Gesetzeshüter sind weit und breit nicht zu sehen. An den Kreuzungen arrangiert man sich vor- und umsichtig miteinander, mit dem Ergebnis, dass man mühelos aneinander vorbei kommt. 

 

Wenn man als Fußgänger die Straße überqueren will, geht das folgendermaßen vonstatten: Man bewegt sich langsamen Schrittes auf den Verkehr zu. Nichts passiert, denn man wird ja gesehen, und die Fahrzeuge weichen aus. Die ersten Mopeds fahren schließlich hinter dir, bis es immer mehr werden – und dann hast du die Mittellinie erreicht. Für die andere Straßenseite gilt das gleiche Prozedere.

 

Kardinalfehler ist es, mitten auf der Straße stehen zu bleiben (und die Hände überm Kopf zusammen-zuschlagen) oder nach deutscher Manier im Laufschritt die Fahrbahn wechseln zu wollen.

 

Ehrlich: Eine Straße zu überqueren - dazu braucht es eiserne Nerven!

 

Aber das System funktioniert perfekt! Die einzige Kollision war die mit einem Wasserbüffel auf dem Weg nach Halong. Der kannte das System nicht und attackierte verärgert die Motorhaube unseres Wagens, als der Fahrer im Schritt seine Herde passieren wollte.

 

 In einem Tempel in Hanoi beobachten wir einen jungen Mann, der, kniend, tief in die Anbetung Buddhas versunken ist. Plötzlich klingelt es aus seiner Hosentasche: Sein Handy meldet sich – und das zu den fröhli-chen Klängen eines christlichen Weihnachtsliedes: We wish you a merry Christmas and a happy new year! 

 

Aus ist es mit der Andacht!                                                                                                              Der Mann springt auf und schnattert angeregt in den Hörer.                                                         Wer weiß? Vielleicht ist Buddha am anderen Ende der Strippe!

Was uns fasziniert, ist, wie ernst der Ahnenkult in Vietnam genommen wird. In jedem Haus gibt es eine Ecke mit einem Hausaltar, auf dem die Geister der ver-storbenen Angehöri-gen verehrt werden. Auch etwas Speise steht stets bereit, damit sich die Besucher aus dem Jenseits laben können. Hier wird die Werte- und Wesensverwandtschaft mit den Chinesen besonders deutlich. Ältere Menschen haben von vornherein den Bonus der größeren Weisheit, und damit ein Anrecht auf Verehrung. 

 

Da ich mich altersmäßig allmählich auch in diese Richtung hinbewege, finde ich diesen Kult recht sympathisch. 

 

Ich werde mal mit meiner Tochter über seine Einführung in unserer Familie reden!

 

Am Tempeleingang beobachten wir eine Frau, die Seltsames tut:

 

An einer eigens dafür eingerichteten Feuerstelle verbrennt sie Imitationen von Geldscheinen und Bilder von Gegenständen.

 

Die Erklärung ist verblüffend: Was sie hier verbrennt, werden ihre Ahnen in einem nachfolgenden Leben besitzen. So einfach ist das!

 

Ich werde schon mal eine Wunschliste anlegen, was Nicole nach meinem Dahinscheiden so alles abfackeln soll.

 

 

 

 

Das Mausoleum, in dem der kommunistische Führer im Vietnamkrieg Ho Chi Min einbalsa-miert aufgebart liegt.

 

 

 

In einem buddhistischen Tempel fällt uns ein Mann auf, der besonders inbrünstig betet. Wir besuchen weitere Sehenswürdigkeiten, und als wir eine Stunde später einen anderen Tempel besichtigen, ist er ebenfalls da. Jetzt aber betet er mit ebenso großer Inbrunst zu Konfuzius!

 

Für die Asiaten ist das Nebeneinander von mehreren Religionen, die sich alle durch große Toleranz auszeichnen, kein Problem.

 

Es ist vielleicht gar nicht so übel, wenn man mehrere Eisen im Feuer hat!

 

 

In Hanoi besuchen wir eine 800 Jahre alte Universität und werden vertraut gemacht mit einem anderen Wert, der uns ungeheuer imponiert: Die Vietnamesen haben einen tief empfundenen Respekt vor Wissen, Weisheit und Gelehrsamkeit. Die Heroen des Volkes sind die Gelehrten, deren Namen auf den Steinplatten eingraviert sind, die die heiligen Steinschildkröten auf dem Rücken tragen.     

                                        Die Universität macht keine Einschränkungen bei der Zulassung. Wenn sich abzeichnet, dass sich in irgendeinem Dorf ein kluger Kopf befindet, dann legt das ganze Dorf zusammen, um ihm das Studium zu ermöglichen. Wird sein Name dann auf der Steintafel eingraviert, dann fällt das auch auf das ganze Dorf zurück.

Auch die Stellung der Lehrer gefällt mir. Sie sind nicht nur Wissensvermittler, sondern Ratgeber in allen Lebensfragen und Ehrengäste bei allen Familienfeiern und Festen. Sie genießen die allerhöchste Achtung.

Vielleicht sollte ich den nächsten Klassenausflug mal nach Vietnam organisieren!

 

 

In Hoi An ha-ben wir einen Tag Sonnenba-den eingeplant. Der glasklare Swimmingpool lädt zu einer kühlen Erfri-schung ein. Fritz taucht unter, und als er wieder auftaucht, ist er stock taub.

Als sich der Zustand am nächsten Tag noch nicht gebessert hat, rufe ich einen Arzt an. Der bietet an, bald möglichst vorbeizukommen. Wir haben keine Eile. Fritz genießt seinen Urlaub auch ohne dass er seine Frau hört.

 

Etwas später klopft es und vor der Tür steht ein Händchen voll Arzt, der sich jedoch als Chefarzt der hiesigen Klinik und als recht kompetent erweist. Als er Blutdruck und Fieber misst, werde ich etwas nervös. Bei der derzeitigen SARS-Hysterie könnte schon eine erhöhte Temperatur für eine uner-wünschte Urlaubsverlängerung in einer Quarantä-ne-Station sorgen. Zum Glück bestätigt er jedoch die Bombengesundheit meines Mannes.

 

Die Ohren werden behandelt, und es tritt auch eine leichte Besserung ein. Ganz behoben wird der Schaden allerdings nicht, und ich kann für den Rest des Urlaubs nie ganz sicher sein, ob mein Mann mich nun nicht verstehen kann oder nicht verstehen will.

 

 

Ein Besuch im Kriegsmuseum in Saigon erschüttert uns bis ins Mark: Der Vietnam-Krieg ist uns zwar als historisches Faktum ein Begriff – aber hier stehen wir nun vor Zahlen- und Bilddokumentationen, die die ganze unmenschliche Grausamkeit dieser 11 Jahre zwischen 1964 und 1975 aufzeigen.

 

Doch nicht nur die Kriegsszenen machen betroffen, sondern auch die Bilder der durch Napalm zerstör-ten Opfer amerikanischer Bomben und die durch Dioxin verstümmelten Kinder, deren Gene über Generationen hinweg verseucht sind. Vor dem Hintergrund, dass diese Katastrophen von amerika-nischen Waffen verursacht wurden, wirkt Bushs Empörung, der Irak könnte chemische Waffen haben, die um jeden Preis vernichtet werden müssen, nur lächerlich.

 

Doch der Horror geht noch weiter! Als wir am nächsten Tag nach Phnom Penh kommen, besuchen wir die Gefängnisse, in denen die Roten Khmer, die Schergen Pol Pots, gefoltert und gemordet haben. Drei Millionen Menschen sind zwischen 1975 und 1978 umgekommen. Auch hier wieder: Grauen in Potenz!

 

Und die Verwunderung darüber, dass die Ostasiaten trotz ihrer gütigen Religionen zu so viel Grausamkeiten fähig sein können!

 

 

 

 

 

 

Der Palast von König Sihanuk in Phnom Penh

 

 

 

 

In Phnom Penh angekommen, werden wir vertraut gemacht mit der rechten Form zu grüßen: die Ellenbogen hoch, Finger und Handflächen exakt gegeneinander – so weit so gut! In welcher Höhe jedoch die Fingerspitzen? Je höher desto größer die Hochschätzung des zu Grüßenden. Zu hoch wiederum (z.B. über dem Kopf) ist auch nix – das riecht nach Verhohnepiepelung. Da überlassen die Kambodschaner nichts dem Zufall.

 

Unterkannte Oberlippe, so erfahren wir, ist das rechte Maß.

 

 

Wir sitzen im Hotel in Phnom Penh, und am anderen Ende der Welt hat meine Schwester Geburtstag. Ich möchte gratulieren, doch immer, wenn ich die Übersee-Nummer wähle, bricht die Leitung zusammen. Ich rufe die Rezeption an, und man verspricht mir, einen Fachmann vorbeizu-

schicken.

 

Der „Fachmann“, der 30 Sekunden später an meine Tür klopft, ist vielleicht gerade mal 15 Jahre alt und seines Zeichens Zimmer-Boy. Er hat auch nicht mehr Glück beim Wählen und konstatiert mit Kennerblick, dass diese Telefonanlage total veraltet ist.  

 

Aber er hat eine Lösung parat: Wenn ich ihm den gleichen Betrag zahle, den auch das Hotel verlangt, will er mir sein Handy zur Verfügung stellen.

 

Ich bin skeptisch! Aber dann zieht er ein chromblitzendes Teil aus der Tasche mit absolut futuristischem Design, tippt ein paar Zahlen ein, und am anderen Ende ist Mama an der Leitung.

 

Und was lehrt uns das? Auch Kambodscha hat eine Zukunft.

 

 

Der Angkor Wat!   

 

Majestätisch erheben sich die typischen Türme in Form einer Lotus-Blüte gegen den Himmel. Der Anblick verschlägt einem den Atem, was noch unterstützt wird, dass 99% Luftfeuchtigkeit herrschen.                                                                                                                

 

 

 

 

Trotz des deutlichen Zerfalls bleibt noch genügend Substanz übrig, um einen Einblick in die grandiosen Leistungen der Khmer zu bekommen, die als Hochkultur bei uns viel zu sehr unterschätzt werden.                                                                                                                   

 

 

 

 

 

Mehr als 1100 Jahre sind die Sakralbauten alt, die auf einer Grundfläche von 232 Quadratkilome-tern angeordnet sind, womit der Angkor Wat die größte Kultstätte der Welt ist.                                                                                                                                                                 

 

 

Die Stadt Angkor war um 900 n. Chr. Mit 1 Million Einwohner bevölke-rungsreicher als jede andere Stadt der Welt.

 

Zum Vergleich: Eine der größten Städte Europas Köln (!) hatte damals gerade mal 90.000 Einwohner.

 

(Quelle: unser Reiseführer! Also nur bedingt vertrauens-würdig).                                                                                Beeindruckend das städtische Schwimmbad mit Ausmaßen von 800 x 200 Meter

 

Der Besuch des Tempels Ta Prohm hinterlässt den stärksten Eindruck: Hier nimmt sich der Urwald syste-matisch seinen Lebensraum wieder zurück, den ihm die Menschen kurzzeitig entrissen haben. Wir sehen gigantische Bäume, deren Luftwurzeln sich mit den Gebäuden verbunden haben und unendlich langsam, aber genauso sicher die Gemäuer sprengen.                                                                      V

 

 

 

 

Von Menschenhand Geschaffenes und Natürliches sind untrennbar miteinander verbunden und hinterlassen die Erkenntnis, dass die Natur, für die Zeit keine Rolle spielt, immer die Oberhand gewinnen wird – egal wie mächtig auch immer die größte Hochkultur sein mag.

 

Morgens stehen wir vor dem Frühstücks-büffet und begutachten all die fischigen und gemüsigen Köstlichkei-ten, die so gar nicht kompatibel sind mit unseren europäischen Früh-stücksgelüsten.

 

Eine würzige Fischsuppe, um den Tag zu beginnen, bewirkt einen ungeahnten Aufruhr der Eingeweide. Wir halten uns lieber an die harmlosen Eierspeisen 

 

Eine herzhafte Nudelsuppe am Mittag an einer der unzähligen Straßenküchen ist jedoch recht schmackhaft. Überhaupt ist das Essen genießbar, und wohl auch ein gutes Stück gesünder: massenhaft Obst, Gemüse im Wok, nur gerade angedünstet, wenig Fett – und jede Menge Shrimps und Garnelen, frisch gefangen zu wirklich lächerlichen Preisen. Wir greifen herzhaft zu.

 

 

Aber nichts kann den Genuss toppen, wenn man zu Hause wieder das vertraute Kornbrot und die ge-wohnte Tasse Kaffee trinkt.