Urlaub 2007 in Kanada und den USA

        Der Urlaub der bizarren Felsen

Dieses Jahr ist Kanada und wieder einmal die USA angesagt, dieses Mal die Nationalparks, die wir noch nicht gesehen haben: Yosemite, Sequoia, Bryce, Zion, Arches, Mesa Verde.

 

Der Urlaub verbindet jede Menge Gegensätze: Da sind die herrlichen Landschaften Kanadas zwischen Banff und Jasper, da sind aber auch die quirligen Metropolen wie Vancouver und vor allem Calgary mit der Stampede, da sind die gigantischen Felsformationen der Nationalparks in den USA, aber auch Großstädten wie San Francisco und Las Vegas, wo die Nacht zum Tag wird.

 

Wir kommen auf jeden Fall auf unsere Kosten.

An 10 Tagen im Jahr, jeweils im Juli, befindet sich Calgary schlichtweg im Ausnahmezustand. Da läuft alles vom Banker bis zum Supermarktverkäufer gestiefelt, gespornt und mit Cowboyhut herum und versprüht unverkennbar Westernatmosphäre.

 

Es ist die hohe Zeit der Stampede, dem größten Rodeo der Welt.

 

Wir stehen vor dem „Grand Stand“, dem gigantischen Stadion, in dem die Rodeo-Diszi-plinen ausgetra-gen werden und ärgern uns.

 

Die 20000 Plätze sind seit Tagen schon restlos ausverkauft. Eine einzelne Karte wäre noch zu haben zum Spottpreis von $150. Da diese Größenordnung jedoch oberhalb unseres Limits liegt und ich zudem noch meinen Mann auf den Schoß nehmen müsste, verspricht dies ein unbequemer Nachmittag zu werden.

Ich verzichte also.

 

Die freundliche Dame am Schalter empfiehlt mir, eine Eintrittskarte ohne Sitzplatz zum Preis von $10 zu lösen. Dann müssten wir halt herumlaufen. Von allen schlechten Möglichkeiten ist dies wohl noch die Beste und vor allem die einzige, wenn wir vom Rodeo überhaupt etwas sehen wollen. Ich greife also zu.

 

Da wir noch ziemlich früh dran sind, nehmen wir 2 hübsche Plätze unter dem Sonnendach ein, bereit sie wieder zu quittieren, sobald die rechtmäßigen Inhaber sie beanspruchen. Das Stadion füllt sich… und füllt sich… und füllt sich - die Veranstaltung hat längst begonnen, doch niemand kommt, um unsere Plätze zu reklamieren. Als 3 Cowboys auf uns zukommen, will ich schon aufstehen, aber einer winkt ab. „Wir haben die Plätze neben Ihnen“.  Um es kurz zu machen: Das Stadion ist bis auf den letzten Platz besetzt, aber unsere beiden (nummerierten!) Sitze hat niemand beansprucht.

 

Ich erzähle dieses Kuriosum am Abend unserem indischen Freund an der Rezeption. Er ist Mohamme-daner, genauer gesagt Ismaelit, ein Anhänger Agha Khans. Er freut sich mit uns. „Nature war mit euch.“  Wie bitte? Nature? Nicht Gott oder wenigstens Allah? „Das ist doch dasselbe!“, belehrt er mich, und im Nu sind wir in einer hochinteressanten theologischen Diskussion.

Dieses Rodeo ist eine Welt für sich.

Die besten Cow-boys der Welt messen ihre Kräfte in den verschiedensten Disziplinen. Die müssen sich 8 lange Sekunden auf wild buckeln-den Pferden halten (bucking horse riding), Kälber mit Lassos einfangen und ihnen die Läufe zusam-menbinden (calf roping), Jungstiere an den Hörnern packen und zu Boden werfen (steer wrestling) und auf wütenden Bullen reiten. Die sind deshalb zurecht so wütend, weil man ihnen den Schlauch abgebunden hat. Das sieht mit Abstand am gefährlichsten aus.

 

Den Abschluss jeder Veranstaltung aber bildet das beliebte Planwagenrennen, mit 4 pfeilschnellen Vollblütern im Gespann, das an die Zeit der Indianerkriege erinnert, als eine möglichst schnelle Flucht empfehlenswert war. Man kennt das zur Genüge aus jedem guten Western.

 

Meinen Gatten überkommt die unwiderstehliche Lust, auch einmal einen wilden Bullen zu besteigen.

 

Was braucht man dazu? Erst einmal einen richtigen Cowboyhut. Das ist das Wichtigste. Den kann man so triumphierend durch die Luft schwenken, oder man kann mit typisch männlich-unterkühltem Charme, auf den wir Frauen so stehen, grüßend an die Hutkrempe tippen - eine Geste, die wir von dem legendären John Wayne noch bestens in Erinnerung habe.

Dazu ein Hemd mit Nietenbesatz. Das ist auch nicht schwer zu erwerben. Jetzt sieht die obere Hälfte schon recht zünftig aus. Jetzt noch ein Paar dieser spitzen, hochhackigen Stiefel, in denen man nicht laufen kann - fertig ist der Cowboy!

 

Um es kurz zu machen: mit dem Bullenreiten wurde es nichts. Bekloppte Touristen kommen noch nicht einmal in die Nähe eines Longhorns. Aber am Ende der Veranstaltung blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Mann vor dem Ausgang des Stadions auf eine Bank zu setzen und den weiten Weg zum Parkplatz allein zu machen. Die gestie-felten Füße meines Mannes, gequollen und voller Blasen, weigerten sich, auch nur noch einen Schritt zu gehen.

 

Aber verdammt männlich hat er ausgesehen, mein Cowboy!

Eine nette Tradition sorgt für eine heitere Episode.

 

Während der Stampede laden die großen Rancher ihre Leute zu einem opulenten Frühstück ein. Diese Sitte ist dann auch von anderen Institutionen auf-genommen worden: den Banken, Versicherungen, Kirchen und vielen anderen mehr.

 

Willkommen ist jeder!

 

Wir verlassen morgens das Hotel auf der Suche nach einem Coffeeshop. In Amerika und in Kanada bieten die Hotels in der Regel nur Übernach-tungen, kein Früh-stück an.

 

Wir fahren auf gut Glück ein paar unbekannte Straßen, da erklingt irgendwo zünftige Country Musik, und wir orten neugierig die Quelle. Erleich-tert wird unsere Suche durch einen verführerischen Duft nach gebratenem Speck. Ich weiß Bescheid. „Frühstück!“, sage ich zu meinem Mann.

 

Und da ist auch schon die Warteschlange, in die wir uns geschmeidig einreihen. Wir haben keine Ahnung wer unsere Gastgeber sind. Das bemerken wir erst, als wir um die Ecke biegen. Es ist die „Brotherhood of Joiners and Carpenters“, die Innung der Schreiner und Zimmerleute. Da Fritz ja von Beruf Schreiner ist, sind wir hier goldrichtig.

 

Dieses Frühstück wird in unserer Hitliste der kulinarischen Höhepunkte für immer ganz oben stehen. Unsere Tische und Bänke bestehen aus Strohballen, im Hintergrund grasen die Pferde auf einer Koppel und würzen die Luft mit ihrem unverwechselbaren Geruch, der sich bestens mit dem unserer Eier mit Speck und Bohnen verbindet. Und das alles wird noch untermalt von der schwungvollsten Country Musik, die man sich vorstellen kann. Herrlich!

 

 

 

Die 250 Meilen zwischen Banff und Jasper gelten als die schönsten der Welt. Ein Naturwunder reiht sich an das andere. Ich könnte die Kamera beim Fahren aus dem Fenster halten und blind auslösen – ich glaube, es gäbe immer ein spektakuläres Foto.

 

Wir paddeln auf dem Lake Louise. In dem herrlich flaschengrünen Wasser kann man aller-dings nicht schwimmen. Es hat gerade mal 4°, weil es beständig von Gletschern gespeist wird. 

 

 

 

 

 

Wir passieren die Athabasca- und die Sunrapta-Fälle und spazieren durch malerische Schluchten.

 

 

 

Wenn uns unterwegs Wild begegnet (es gibt zwar Schwarzbären, aber keine Grizzlys), legen wir einen Stopp ein und genießen das Bild.

Es ist eine wunderbar entspannte Woche.

Jetzt geht es per Flugzeug weiter nach San Francisco, der Stadt mit dem unverwechselbaren Flair swingender Leichtigkeit und einem immer noch spürbaren Hauch vom Flower Power der 60er Jahre. Wir verbringen hier 2 wunderbare Tage, auch wenn sich die Golden Gate in dichten Nebel hüllt. Dann geht es weiter mit dem Leihwagen Richtung Las Vegas. 

 

Auf der Fahrt durch das Death Valley, das Tal des Todes, überkommt mich unweigerlich ein riesiger Respekt vor der ungeheuren Pionierleistung der ersten Siedler. Während wir in einem bestens klimatisierten Wagen sitzen und die über 50 Grad Hitze draußen geflissentlich ignorieren können, in überschaubaren Abständen jeweils eine Tankstelle zur Verfügung haben, die uns neben dem nötigen Sprit auch noch mit eisgekühlten Getränken versorgt, stelle ich mir mit Grausen vor, welche Strapazen die ersten Durchreisenden hier hatten erdulden müssen, ohne Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten, ohne Logistik, ohne Maschinen, nur auf die eigene Kraft und ein paar vierbeinige Pferdestärken angewiesen, allein in einer feindlichen Umwelt und umgeben von noch feindlicheren Ureinwohnern, die irgendwie kein Verständnis dafür hatten, dass man ihnen ihr Land streitig machen wollte.

Welch eine ungeheure Leistung, angesichts solcher Widrigkeiten trotzdem eine Infrastruktur aufgebaut zu haben, von denen solche verweichlichten Komfort-Touristen, wie wir es sind, profitieren!

Wirklich! Wir sollten einfach ein wenig bescheidener sein, wenn wir auf unsere heutige Leistungsfähigkeit allzu stolz sein wollen.

 

In Badwater erreichen wir den absoluten Tiefpunkt unsere Reise. Die Stelle liegt 84 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit eine der tiefsten der Welt. Es ist unerträglich heiß, das Einatmen der über 50° heißen Luft ist fast schmerzhaft.

Kaum zu glauben, dass ausgerechnet hier der berühmteste Marathon der Welt stattfindet: der Badwater-Marathon. Man muss schon eine reichlich masochistische Ader haben, um bei dieser Affenhitze auch nur einen überflüssigen Schritt zu machen. Und diese Freaks laufen 42 Kilometer ohne Not.

 

 

Auf der Fahrt durch Monument Valley werden Erinnerungen wach an unsere gleiche Fahrt, damals vor 23 Jahren.

 

Damals fuhr ich ebenfalls einen Leihwagen, aber eine ausgesprochene Montagsproduktion. Jedenfalls hatte ich irgendwann den Schalthebel in der Hand, und nichts ging mehr. Schon seit endlos langer Zeit war uns kein Auto mehr begegnet, und ich sah vor meinem geistigen Auge schon unsere Knochen in der Sonne bleichen.

 

Da zeigte es sich, welch Glück es ist, den richtigen Mann an der Seite zu haben. In aller Gemütsruhe untersuchte Fritz die Katastrophe, fand den Defekt, reparierte ihn notdürftig, aber wirksam, und weiter ging's.

 

Und wenn uns das Benzin ausgegangen wäre? Dann hätte er halt ein Loch gebuddelt und Öl gefunden! Wo ist das Problem??? Die Katastrophen sollen bloß kommen! Mit diesem Mann an meiner Seite passiert mir nichts!

 

Szenarien dieser Art sind heute jedoch passé. Einsamkeit im Monument Valley ist das letzte, was man erwarten sollte. Die Blechlawinen sind endlos, und die Easy Riders nicht zu überhören. Der ultimative Nervenkitzel besteht heute nur noch darin, ob man vor McDonalds noch einen freien Parkplatz findet.

Schade!

 

Der Yosemite ist wunderschön, aber nicht immer fotogen. Die beein-druckenden Schluchten und steilen Felswände rauben einem live fast den Atem. Durch den Sucher der Kamera gesehen verlieren sie jedoch ihre Tiefe und ihre Ausmaße.

 

Der Sequoia Nationalpark mit seinen Mammut-bäumen ist eine Welt für sich. Wir spazieren durch den „Wald der Riesen“ und handeln uns eine Genickstarre ein. Die Wipfel sind fast 90 Meter hoch. Da kapituliert auch der leistungsfähigste Weitwinkel.

 

 

Der Zion Nationalpark und Capitol Reef mit den herrlichsten Felsenlandschaften durchfahren wir mit ehrfürchtigem Staunen. 

Aber wirklich begeistert sind wir vom Bryce Canyon mit seinen bizar-ren Felsen-säulen und auch vom Arches Natio-nalpark mit seinen ausge-waschenen Sandstein-bögen. 

Angesichts des gewaltigen Grand Canyon überfällt einen das Gefühl, unendlich winzig zu sein. Den haben wir vor 15 Jahren schon einmal bewundert. Und fast scheint mir, als ob er seitdem schon ein paar Zentimeter tiefer geworden wäre.

Was für ein herrliches Land!

 

In Mesa Verde besichtigen wir die in die Felsen gehauenen Pueblos der Azanasi-Indianer. Wie die Waben eines Bienen-stocks gehen die Räumlichkeiten ineinander über.

 

Hier lebten mehrere Dutzend Menschen auf engstem Raum nebeneinander und keine Spur von Privat- oder gar Intimsphäre! Das Leben in der Gemeinschaft, das allgegenwärtige Füreinander-da-sein, der feste Platz eines jeden im Gemeinwesen hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck.

 

Ich denke daran, wie fluchtartig in unserer Gesellschaft unsere Jugendlichen, gerade volljährig geworden, ihre Familien verlassen wollen, in dem Bedürfnis sich zu verwirklichen, wie isoliert geschiedene Alleinstehende in ihrer freiwillig gewählten Abgeschlossenheit leben, wie schamlos die Alten in Altersheime, in „Seniorenresidenzen“, abgeschoben werden!

Der Kontrast zu unserer gefühllosen Ellbogenge-sellschaft ist geradezu greifbar.

 

Fasziniert folgen wir auch den Informationen der Ranger zu den Lebensgewohnheiten der Indianer. Zum Beispiel war es nur bestimmten, moralisch besonders integren Kriegern vorbehalten, Wild zu jagen. Nur soviel, wie wirklich zum Überleben gebraucht wurde, dürfte getötet werden. Ver-schwendet wurde nichts. Dafür war das Leben der Tiere zu kostbar.

 

Als der Ranger erzählt, dass der Jäger den Geist des Tieres erst um Erlaubnis fragt, ob er es töten dürfe, staune ich nicht schlecht. Die gleiche Seltsamkeit ist mir von den weit entfernten Aborigines in Australien bekannt. Offenbar haben die Naturvölker eine eigenartige Übereinstimmung in solchen Dingen, die uns Zivilisierten ungeheuer lächerlich vorkommt. Genauso offenbar aber ist es, dass es genau die Naturvölker sind, die über das Wissen um das Überleben der nächsten Jahrtau-senden verfügen, während die wissenschafts-gläubigen Hochtechnologisierten unsere Welt und unsere Rasse planmäßig in den Untergang schicken werden.

 

Ich frage mich, ob sich die Evolution nicht doch einmal geirrt hat. Hat sich mit der weißen Rasse die wirklich bessere durchgesetzt?

Oder doch nur die, die am wirkungsvollsten töten kann?

Unsere letzte Station ist Las Vegas. Nach den unendlichen Weiten der Nationalparks muss noch ein wenig Rummel her. Während wir auf unserer Rundreise nicht ein einziges Mal Schwierigkei-ten hatten, eine Unter-kunft zu finden – hier in Las Vegas, wo ein Riesen-hotel neben dem anderen steht, ist alles ausgebucht. Ein Glück, dass das Hilton noch eine Besenkammer frei hat! Wir faulenzen die beiden letzten Tage am Swimmingpool.

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Las Vegas hat sich in den letzten 15 Jahren geradezu dramatisch verändert.

 

Damals konnte man den Strip in Stöckelabsätzen noch mühelos bewältigen, heute reihen sich auf einer Länge von über 5 Meilen die Prachtbauten aneinander, eine gigantomanischer als der andere! Wir bummeln durch die Hotelhallen und sind entsetzt über den grauenhaften Kitsch der meisten Anlagen. Doch die riesigen Spielhallen sind durchweg brechend voll, und immer wird noch weiter gebaut.

 

Ein Gesprächspartner, der es wissen muss, gibt uns einmal eine Vorstellung von den Größenordnungen, die hier im Raum stehen: ein normales Riesenhotel mit über 5000 Zimmern beschäftigt ein Angestell-tenheer von zirka 35000 Lohnempfängern: vom Zimmermädchen bis zum Croupier, vom Sicher-heitspersonal bis zum Bademeister! Da die Hotels rund um die Uhr in Betrieb sind, sind jeweils 3 Schichten eingerichtet. Da wird pro Bettenburg die Menschenmasse einer Kleinstadt zu Unterhaltung benötigt! Das erklärt, warum sich um den Kern von Las Vegas herum nun schon etliche Satellitenstädte gebildet haben. Schöner ist diese Stadt dadurch nun wirklich nicht geworden!

 

 

Nach 3 Wochen Amerika sind wir wieder reif für die Heimat und müde vom langen Flug. Beim Revue-passieren-lassen unserer Reise kommen wir zu dem einmütigen Ergebnis, dass die von Menschenhand geschaffenen Prunkbauten nicht annähernd an die Schönheiten der Natur heranreichen können.