Über den Roman
Der Roman hat einige Facetten:
Zum einen ist er ein Abenteuerroman mit einer spannenden äußeren Handlung, zum andern ist er ein Entwicklungsroman, da die Hauptfigur, Charles Eastbourne, aus dem Leben gefallen durch dramatische Vorgänge in seiner Vergangenheit, wieder zu einem erfüllten Leben zurückfindet. Er ist aber auch eine Liebesgeschichte, bei der es um die ungewöhnliche Liebe zwischen einem adeligen Plantagenbesitzer und einer jungen Mulattin geht, und er weist historische Züge auf, da der Hintergrund, die Befreiungskämpfe der Kolonien, den tatsächlichen geschichtlichen Begebenheiten entspricht.
Die Geschichte ist angelegt auf zwei Bände:
Der 1. Teil hat als Schwerpunkt die Gesundung des kranken und dem Selbstmord nahen Charles Eastbourne. Miriam und ihre magischen Hände spielen dabei eine wichtige Rolle. Aber mehr noch als ihre Massagen und ihre heilsamen Salben lassen die lebensklugen Gespräche mit ihr seine Seele gesunden. Der 1. Teil endet mit ihrem Einverständnis in die Heirat und der darauf folgenden Liebesnacht.
Im Mittelpunkt des 2. Teils stehen Charles Eastbournes charakterliche Veränderungen. Er setzt sich über die Missbilligung seiner ehemaligen Freunde, die für seine „Mesalliance“ kein Verständnis haben, hinweg und entwickelt Ideale und Ziele, die seinem Leben wieder einen Sinn geben.
In einer Nebenhandlung wird es auch für Mike Preston, Richard Attenboroughs bestem Mann und einer humorvollen Figur in dem Roman, zu einem Happy end in Liebesdingen kommen.
Die Geschichte endet so, wie es sich der Leser erhofft: Der finale Kampf um Eastbourne Castle kann gewonnen werden.
Welche Themen stehen im Vordergrund?
Die alles entscheidende Frage: Wie wird man glücklich im Leben? ist Gegenstand vieler Gespräche zwischen Charles und Miriam. Ohne zu schulmeistern, erklärt sie ihm mit einfachen Worten, wie Leben funktioniert: Nicht das ganz große Glück ist der Schlüssel (das lässt sich schwer finden und auch nicht auf Dauer halten!) sondern die Summe vieler kleiner Glücksmomente macht den glücklichen Menschen aus.
Die müssen mit Dankbarkeit registriert werden – einem Gefühl, das den Menschen keineswegs klein und demütig werden lässt, sondern zeigt, dass man das Gute, das einem widerfährt, bewusst wahrnimmt.
Die Macht des Menschen über den Menschen
Nirgendwo wird dieses Thema deutlicher als in dem Machtgefälle zwischen dem reichen Herrenmenschen und dem entrechteten Sklaven. Der Durchbruch in Charles Eastbournes Persönlichkeitsveränderung passiert, als er am Sterbebett der alten Thilda seine Sklavin als Mensch wahrnimmt und versteht, dass der Augenblick des Todes eine unheimliche Gleichheit zwischen den Menschen schafft. Die Idee, dass es die Lebensaufgabe eines jeden Menschen, egal welchem Stand er angehört, ist, für andere dazusein, führt bei Eastbourne zu einer nachdrücklichen und beunruhigenden Auseinandersetzung mit seiner eigenen Vergangenheit.
Auch Ann besitzt Macht über die Menschen. Ihre Waffen: Liebe, Güte, Herzlichkeit
Wie geht man mit Unglück um?
Eastbournes Unfähigkeit, gegen Schicksalsschläge eine adäquate Bewältigungsstrategie zu entwickeln, hat dazu geführt, dass er seine Untergebenen, und hier vor allem seine Sklaven, mit unnachsichtiger und ungerechter Härte behandelt hat, was zu brodelndem Hass führte. Miriam lehrt ihn, dass Glück zu einem zurückkehrt, wenn man es verschenkt. Charles Eastbourne probiert es erfolgreich aus, indem er das Los seiner Sklaven erleichtert und erkennt, dass es ein sehr viel besseres Gefühl ist, geliebt als gefürchtet zu werden.
Auch die Attenboroughs müssen den schwersten Schicksalsschlag hinnehmen, den man sich denken kann: den gewaltsamen Tod ihrer Kinder. Wie geht man um damit, in einer Zeit, in der man noch keine Zuflucht suchen kann bei Obrigkeiten, die ein Unrecht ahnden? Richard wählt den der grausamen Rache, doch löst er damit eine Gegenreaktion aus, die um ein Haar ihn und viele Unbeteiligte in einen Sog blutiger Vergeltung gebracht hätte. Ist Ann Attenboroughs Weg der Bewältigung, das trauernde Sich-Ergeben in das Schicksal, der richtigere? Der Leser mag selbst entscheiden.
Liebe kennt keine Standesgrenzen
Diese Erkenntnis ist nicht selbstverständlich für einen verwöhnten Aristokraten, für den bis zu seiner Bekanntschaft mit Miriam Äußerlichkeiten die entscheidende Rolle bei jeder Urteilsfindung spielten. Mit dem Bewusstwerden ihres Wertes als Mensch und seinem Entschluss sie zu heiraten ist jedoch auch die Notwendigkeit verbunden, dies vor einer Gesellschaft zu vertreten, die, geldgierig und oberflächlich, in dieser Verbindung eine verachtungswürdige Mesalliance sieht.
Doch diese Geschichte ist keine Variation des bekannten „Aschenputtel-Motivs“. Miriam, die Sklavin, ist (in Verkehrung der üblichen Sehensweise) in dieser Beziehung die Stärkere. Sie ist die einzige, die ihm wieder ins Leben zurückhelfen kann. Das erkennt Charles Eastbourne sehr wohl und ist auch bereit, nachdrücklich um sie zu werben.
Dass in der Herren – Sklavinnenverbindung auch erotische Untertöne enthalten sind, die möglicherweise auch die Phantasie (vor allem der männlichen Leser!) beflügeln könnten, ist durchaus gewollt. Beide Teile des Romans haben ihre erotischen Episoden. Schließlich ist er ja auch die Liebesgeschichte zweier außergewöhnlicher Menschen.
Welchen Typ von Leser könnte diese Geschichte interessieren?
Einen Leser, der
- eine spannende und abenteuerliche äußere Handlung mag
Der zweifache Kampf um Eastbourne Castle hat seine dramatischen Momente mit unerwarteten Wendungen, Heldentum, Verrat und Treue.
- bereit ist, Miriams lebenskluge Weisheiten auf ihren Gehalt hin zu überprüfen
Die großen Zusammenhänge des Lebens erfordern keine philosophischen Einsichten sondern lassen sich von jedem beobachten. Trotzdem bedarf es mitunter der entsprechenden Denkanstöße. Miriam gibt sie. Der Leser ist gefordert mitzudenken und vielleicht auch selbst gemachte Erfahrungen an ihnen zu messen.
- sich einfangen lässt von der ganz besonderen Südstaaten-Romantik
Der Schauplatz der Ereignisse ist die Welt der Gentlemen, der eleganten Plantagenbesitzer einerseits und der rechtlosen Sklaven andererseits. Eine Atmosphäre von vergangener Größe, aber auch von einer gewissen Sinnlichkeit vermittelt sich auch heute noch jedem Besucher des Südens, wenn er in einem der imposanten Herrenhäuser absteigt.
- sich interessiert für Geschichtliches
Die historischen Hintergründe, die vor allem im 2. Band eine Rolle spielen, sind sauber recherchiert. Die spannende Zeit der Gründerjahre und ihrer großen Persönlichkeiten sowie die bahnbrechenden Erfindungen einer neuen Zeit begleiten die Handlung.
- sich auch von gewaltbesetzten Schilderungen nicht abschrecken lässt
In der Geschichte geht es auch gewalttätig zu. Diese Episoden werden jedoch in dezenten Formulierungen gehalten. Schließlich spielt die Handlung in einer Zeit, als die Gesetze die Schwachen noch nicht schützten, und in einem noch wilden Land, wo die Menschen weitgehend auf sich selbst gestellt waren. Der Leser ist gefordert, für sich zu entscheiden: Wie hätte ich gehandelt?
- der auch Außersinnliches für möglich hält
Miriams Fähigkeiten zu heilen und ihr „zweites Gesicht“ machen sie zu einem außergewöhnlichen Menschen. Dadurch gewinnt sie an Profil und macht sie für den Leser unverwechselbar, einmalig. Sie ist etwas Besonderes.
Auch die Möglichkeit, dass der tote Hausdiener Winston eine gewichtige Rolle bei Miriams Befreiung im 2. Band gespielt haben könnte, wird angedeutet. Doch der Leser muss dieser Idee nicht folgen. Alles kann auch reiner Zufall sein. Aber eben auch nicht!
- Freude daran hat, mitzuerleben, wie zwei Menschen zueinander finden
Ein Happyend ist erst dann besonders happy, wenn genügend Steine im Weg liegen. Von der Sorte gibt es genug: sowohl in der Beziehung zwischen Charles und Miriam im 1. Band als auch in der von Mike und Jenna im 2. Band.
Das erotische Moment liegt nicht nur in der Schilderung körperlicher Vereinigung, die in jedem Band jeweils einmal vorkommt. Auch Miriams Massagen, die in ein Streicheln übergehen, haben ihren Reiz. Überhaupt ist die Magie der Berührung ein gewichtiger Schwerpunkt.
Thema und Sprache des Romans zielen auf Leser mit mittlerer bis gehobener Intelligenz.